Das Stiftungsrecht ermöglicht seit Jahrzehnten die Errichtung unterschiedlicher Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland. Viele Stiftungen nehmen sich gesellschaftlicher Probleme an und verfolgen Zwecke der Gemeinnützigkeit.
Hierbei sind Stiftungen jedoch darauf angewiesen, Erträge zu generieren. Insbesondere aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase müssen sie ihre Anlagestrategien überdenken und andere Finanzierungsquellen finden, um nachhaltig Erträge zur Verfolgung der Stiftungszwecke zu sichern und Handlungsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten.
Das Stiftungsrecht
Es handelt sich bei einer Stiftung laut Stiftungsrecht um eine mitgliederlose juristische Person mit Rechtspersönlichkeit (vgl. §§80ff. Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Charakteristisch ist, dass Stiftungen über eine Vermögensmasse verfügen, die der „dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zweckes“ gewidmet ist (§80 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Es gilt im Stiftungsrecht der Grundsatz der Vermögenserhaltung (§ 83c Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser besagt, dass für die Verfolgung des Stiftungszweckes allein die wirtschaftlichen Erträge, die aus der Verwaltung und der Anlage des Stiftungsvermögens generiert werden, zur Verfügung stehen und das Vermögen ansonsten zu erhalten ist (eine Ausnahme bildet die Verbrauchsstiftung gemäß §80 Abs. 1 Satz 2 a.E.).
Die individuelle Ausgestaltung der Satzung durch den Stifter stellt eine Besonderheit des Stiftungsrechts dar. Dieses Kriterium macht Stiftungen im Stiftungsrecht zu einem Mittel der Wahl für Social Entrepreneurship, denn mit dem Stiftungszweck können sich Stifter Zwecken der Gemeinnützigkeit verschreiben (§§51ff. AO).
Stiftungen leisten somit wichtige Beiträge für die Allgemeinheit, indem sie Zwecke der Gemeinnützigkeit, die die Themenfelder Kunst und Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sport und Umwelt betreffen, durch Projekte und Veranstaltungen fördern.
Zu der sozialen Relevanz von Stiftungen sagt Friederike von Bünau, Generalsekretärin des Bundesverbands Deutscher Stiftungen: „Stiftungen sind nicht nur zeitgemäß, sie sind zeitlos und gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen extrem wichtig für unsere Gesellschaft. Denn sie haben ein besonderes Potenzial, sich mit ihrem Wirken für die Probleme unserer Zeit – etwa für die Integration Geflüchteter, für mehr Bildungschancen oder für mehr Nachhaltigkeit – einzusetzen. Eine Gesellschaft ohne Stiftungen möchte ich mir nicht vorstellen. Sie wäre um viel Engagement, soziale Unterstützung und neue Ideen ärmer“.
Finanzierung von Stiftungen
Grundsätzlich macht das Stiftungsrecht keine zwingenden Angaben darüber, wie Stiftungen konkret ihr Vermögen anzulegen haben. Jedoch sollten Stiftungen Richtlinien als Grundlage schaffen, um nachvollziehbare und sinnvolle Entscheidungen bezüglich der Anlage des Stiftungsvermögens treffen zu können. Sie unterliegen den Landesstiftungsgesetzen und der jeweiligen Stiftungssatzung.
Das „Basisvermögen“ von Stiftungen stellt das zunächst durch den Stifter eingebrachte Stiftungsvermögen dar. Hierbei kann es sich um Bargeld, Immobilien, Wertpapiere oder andere Vermögenswerte handeln. Traditionell verwenden Stiftungen Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen aus diesem Stiftungsvermögen zur Förderung ihres Stiftungszwecks.
Der Grundsatz der Vermögenserhaltung im Stiftungsrecht führt dazu, dass Stiftungen ihr Vermögen nicht ertraglos anlegen dürfen. Gleichzeitig ist es steuerrechtlich relevant, dass keine höchst risikoreichen Anlageentscheidungen getroffen werden. Daher legen Stiftungen ihr Vermögen traditionell sicherheitsorientiert und eher konservativ an.
Herausforderung Niedrigzinsphase
Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase können Stiftungen vor Herausforderungen bei der Erfüllung des Stiftungszwecks stehen. Denn die Kapitalerträge aus dem möglicherweise konservativ angelegten Stiftungsvermögen sinken aufgrund der niedrigen Zinsen.
Stifter müssen in der Niedrigzinsphase oft ein höheres Risiko eingehen, um das Stiftungsvermögen zu erhalten (so auch das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 11. Dezember 2014, Az. 3 K 323/12 Erb.). Dieses kann dazu führen, dass sich Stiftungen eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten bezüglich der Organisation und Förderung neuer Projekte zur Erfüllung ihres Stiftungszweckes gegenübersehen.
Insbesondere bei Stiftungen, die Zwecke der Gemeinnützigkeit verfolgen, kann eine niedrige Ertragslage problematisch sein. Werden Mittel fehlerhaft eingesetzt, kann dies die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zur Folge haben. Dieses geht mit dem Verlust von Steuervergünstigungen einher, wobei dadurch getätigte Einsparungen wiederum nicht in Projekte der Gemeinnützigkeit investiert werden können.
Mögliche Anlageformen und sonstige Finanzierungsquellen
Jedoch können sich Stiftungen im Stiftungsrecht flexibel und innovativ an diese Situation anpassen, Anlagestrategien entwickeln und neue Finanzierungsquellen generieren, um am Leben zu bleiben. Das Deutsche Stiftungszentrum empfiehlt es Stiftern, sich um ein aktives Vermögensmanagement zu bemühen und die Vermögensanlage möglichst zu diversifizieren.
Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, rät: „Die Antwort auf den Niedrigzins war bei vielen großen Stiftungen eine Änderung der Anlagestrategie, vor allem hin zu Aktien und Immobilien, und damit sind sie meist sehr gut gefahren. Außerdem verstärken Stiftungen aller Größenordnungen ihre Bemühungen im Bereich Fundraising und Kooperationen. Stiftungen suchen sich also aktiv neue Wege zur Sicherung ihrer Einnahmen“.
Umschichtungsgewinne im Stiftungsrecht
Seit der Stiftungsrechtsreform in 2023 ist es Stiftern gemäß § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB möglich, Zuwächse aus der Umschichtung ihres Grundstockvermögens (sogenannte Umschichtungsgewinne) für ihre Satzungszwecke zu nutzen, soweit „dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist“. Hiermit haben Stiftungen nun die Möglichkeit und Flexibilität, Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Stiftungsvermögens zu verwenden.
Environment Social Government-Kriterien (ESG)
Der Tätigung von nachhaltigen und wirkungsorientierten Kapitalanlagen sollte grundsätzlich mehr Bedeutung zugemessen werden. Denn die Übernahme sozialer Verantwortung wird bei der Gewährung finanzieller Mittel, bei Investitionsbewertungen für potenzielle Investoren und bei öffentlichen Ausschreibungen immer bedeutsamer und bietet eine Orientierungshilfe für Anlagestrategien. Stiftungen, die Zwecke der Gemeinnützigkeit verfolgen, werden bevorzugt ausgewählt.
Um die konkrete Umsetzung der Betätigungen zu messen und sie darzustellen und zu belegen, können sich Stiftungen an den Environment Social Government-Kriterien (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien; ESG) orientieren.
Aktienanlagen
In Niedrigzinsphasen können Investoren oft von langfristigen Ertragschancen bei einem niedrigen Aktienkurs profitieren. Bei der Investition in Aktien ist es ratsam, eine Strategie der Diversifikation im Aktienportfolio zu verfolgen, sodass Risiken über mehrere Assetklassen gestreut, minimiert und Ertragsschwankungen ausgeglichen werden können.
Bei einer Geldanlage in Aktien sollten Stiftungen sich an den ESG-Kriterien orientieren und das Aktienportfolio in Einklang mit diesen Nachhaltigkeitskriterien bringen.
Stifter sollten sich darüber bewusst sein, dass sie mithilfe von Investments über ein Steuerungspotential verfügen und anhand nachhaltiger Entscheidungen einen positiven Einfluss auf Zwecke der Gemeinnützigkeit haben. Auch können Stiftungen mithilfe der ESG-Kriterien sicherstellen, dass ihre Anlagen mit den ethischen Grundsätzen, die sie sich selbst gegeben haben, im Einklang stehen.
Weitere nachhaltige Investmentansätze beinhalten das Aufstellen von Ausschlusskriterien für Investments, die beispielsweise gegen internationale Standards oder Menschenrechte verstoßen oder die Branchen betreffen, die in ihrer Gesamtheit nicht mehr zu unterstützen sind. Investments können auch konkret anhand ihrer ökologischen oder sozialen Wirkung ausgewählt werden, welche mit einer positiven Rendite einhergeht (Impact Investing).
Wichtig ist, dass neue Anlagestrategien auf ihre Konformität mit der bestehenden Satzung anwaltlich überprüft werden. Sofern eine Satzungsaktualisierung vorgenommen wird, um neue Anlagestrategien zu ermöglichen, sollte diese wiederum einer anwaltlichen Überprüfung unterzogen werden.
Immobilien
Darüber hinaus kann es in Niedrigzinsphasen sinnvoll sein, in unterschiedliche Immobilien in verschiedenen Marktsegmenten und Regionen zu investieren. Denn bei einem späteren Verkauf kann in Niedrigzinsphasen ein höherer Kaufpreis auf dem Immobilienmarkt erzielt werden.
Auch können Immobilien selbst nutzbar und rentabel sein, da sie beispielsweise durch Vermietungen Erträge abwerfen. Andere Immobilien können daneben zur Verwirklichung eines Zweckes der Gemeinnützigkeit im Stiftungsrecht genutzt werden, indem sie beispielsweise für einen günstigen Mietzins an gemeinnützige Einrichtungen vermietet werden.
Bei ihrer Investitionsstrategie sollten sich Stiftungen an ihren Zwecken der Gemeinnützigkeit orientieren und ökologische, soziale und nachhaltige Investitionen tätigen (ESG-Kriterien). Insbesondere sollten diese Kriterien bei Investitionen in Mietobjekte, vor allem Neubauten, Renovierungsmaßnahmen von bestehenden Objekten und beim Kauf von neuen Immobilien beachtet werden.
Konkret kann das bedeuten, dass sich Stiftungen bei Investitionen in Immobilien ihrer Verantwortung für die Umwelt bewusst sein und bei der Erstellung des Produktportfolios Aspekte wie Umweltverschmutzung, Energieeffizienz und Ressourcenschutz beachten müssen.
Gerade Stiftungen, die Zwecke der Gemeinnützigkeit verfolgen, sollten sich auch der sozialen Auswirkung von Immobilieninvestments, beispielsweise mit Blick auf die kommunale Infrastruktur oder die Barrierefreiheit, bewusst sein und entsprechend und transparent handeln.
Die ESG-Konformität von Immobilien-Investments spielt nicht nur eine bedeutsame Rolle mit Blick auf das Bedürfnis, Investments mit dem Selbstverständnis der Stiftung zu vereinbaren und soziale Verantwortung zu übernehmen.
Auch existieren rechtliche Regularien, die dieses unumgänglich machen. Zu nennen sind die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die EU-Offenlegungsverordnung und die ESG-Taxonomie. Diese schlagen sich auf nationalem Level in dem Gebäude-Energiegesetz und im Kohlendioxid-Aufteilungsgesetz nieder.
Aufgrund der Zinssensibilität von Immobilien sollten stets die Risiken bedacht und die Nutzung der jeweiligen Immobilien auf ihre Vereinbarkeit mit der Satzung und juristischen Regularien anwaltlich überprüft werden.
Fundraising
Eine Möglichkeit im Stiftungsrecht, in der Niedrigzinsphase Finanzierungsquellen zu generieren, stellt das Fundraising dar. Es umfasst unterschiedliche Aktivitäten, die zur Generierung von Einnahmen beitragen können, wie das Einsammeln von Spenden, die Organisation von Veranstaltungen, die Akquise von Fördermitteln von öffentlichen oder privaten Institutionen und den Aufbau von Beziehungen mit potenziellen Spendern, Sponsoren und Kollaborateuren.
So können Stiftungen nicht nur die Verfolgung ihres jeweiligen Stiftungszwecks der Gemeinnützigkeit mit Projekten oder Veranstaltungen sichern. Auch können sie sich mehr Reichweite und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit verschaffen, um so neue Investoren, Förderer oder Unterstützer auf ihre Stiftungsarbeit aufmerksam zu machen.
Hierfür ist es ratsam zu prüfen, ob neue Kommunikationskanäle erschlossen werden können oder bereits bestehende ausgebaut werden sollten. Mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit kann auf konkrete Förderprojekte oder Veranstaltungen Aufmerksamkeit gelenkt werden, um für diese Finanzierungsquellen zu generieren.
Soweit ein Mehrwert für die Unterstützung einer Stiftung für den Förderer entsteht, muss geprüft werden, ob es sich um eine Spende ohne Gegenleistung oder schon um Sponsoring handelt. Letzteres zieht ertrags- und steuerrechtliche Folgen nach sich.
Verbrauchsstiftung
Das Stiftungsrecht bietet auch die Möglichkeit, eine herkömmliche Stiftung in eine Verbrauchsstiftung umzuwandeln, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und sich dieses bei der Umgestaltung in eine Verbrauchsstiftung ändern würde (§85 Abs. 1 Satz 3 BGB).
Darüber kann im Stiftungsrecht eine Teil-Verbrauchsstiftung errichtet werden. Bei dieser kann über die liquiden Mittel zur Verfolgung des Stiftungszweckes im Sinne einer Verbrauchsstiftung verfügt werden, während der langfristige Stiftungszweck mit den Erträgen aus dem übrigen Stiftungsvermögen verfolgt wird.
Resumé
dtb-Partner und Experte für Stiftungsrecht und Gemeinnützigkeit Bertold Schmidt-Thomé kommentiert: „Stiftungen brauchen finanzielle Handlungsspielräume, um sich wirksam gesellschaftlichen Problemen annehmen zu können. Deshalb müssen sie in Phasen geringer Erträge neue Wege der Finanzierung und Vermögensanlage einschlagen“.
Es bieten sich hierfür unterschiedliche Möglichkeiten, die Stifter in der Zukunft bei der Anlageplanung berücksichtigen können, von optimierten Anlagestrategien bis hin zu Fundraising. Auch eröffnet das Stiftungsrecht flexible Gestaltungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Errichtung einer (Teil-)Verbrauchsstiftung.
Stand 26.06.2025