Die Verbrauchsstiftung ermöglicht es, das gesamte Stiftungsvermögen innerhalb einer bestimmten Zeit zu verbrauchen. Sie kann eine effektive Antwort auf die anhaltende Niedrigzinsphase darstellen und neue Gestaltungsmöglichkeiten im Stiftungsrecht, insbesondere mit Blick auf die Unterstützung von Angehörigen, eröffnen.
Die Anerkennung der Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht
In 2013 wurde die Verbrauchsstiftung durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz im Stiftungsrecht gesetzlich anerkannt.
Bei der Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht handelt es sich um eine Stiftung, die auf eine bestimmte Zeit zu errichten ist, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu verbrauchen ist (§80 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch; BGB).
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen schätzt, dass in der Bundesrepublik Deutschland über 22 Tausend rechtsfähige Stiftungen existieren, die über ein Startkapital von schätzungsweise 68 Milliarden € verfügen. Für diese Stifter der Bundesrepublik bietet die Verbrauchsstiftung eine attraktive Alternative zur herkömmlichen Stiftung.
Was ist eine Verbrauchsstiftung?
Eines der Wesenselemente der herkömmlichen Stiftung in Abgrenzung zu anderen zivilrechtlichen Instituten ist ihre Lebensdauer (§80 I S. 2 BGB). Grundsätzlich kann eine herkömmliche Stiftung im Stiftungsrecht auf unbestimmte Zeit, auch auf ewig bestehen und stetig der Erfüllung des Stiftungszweckes dienen (Ewigkeitsstiftung).
Im Unterschied hierzu ist die Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht auf eine bestimmte Zeit ausgerichtet (§80 I S. 2 a.E BGB). Sie hat somit eine Lebensdauer.
Der andere bedeutsame Unterschied bei der Verbrauchsstiftung ist, dass das Stiftungsvermögen selbst für den Stiftungszweck verbraucht werden muss. Bei einer herkömmlichen Stiftung im Stiftungsrecht ist dieses zu erhalten.
In anderen Worten ist eine Verbrauchsstiftung nicht darauf beschränkt, die Erträge wie Zinsen aus ihrem Stiftungsvermögen für die Verfolgung des Stiftungszweckes zu verwenden. Sie darf ihr gesamtes Stiftungsvermögen für den Stiftungszweck sukzessive ausschütten und verbrauchen.
Ein frühes Vorbild im US-amerikanischen Raum bildet die renommierte Stiftung Atlantic Philanthropies vom Unternehmer Charles F. Feeney, der nach dem Grundsatz „Giving While Living“ lebte.
„Organisationen, die älter werden, werden sklerotisch. Das kann man bei den ältesten Stiftungen beobachten. Es ist eine Passion von Charles F. Feeney und mir, dass das nicht passiert. Wir haben gesagt, lass uns Spaß haben, solange wir noch leben.“ So erklärt Harvey Dale, erster Stiftungspräsident, den Beschluss, die Stiftung aufzulösen und das Stiftungsvermögen von 4 Milliarden $ in den kommenden Jahren vollständig für philanthropische Zwecke auszuschütten.
Ein deutsches Vorbild stellt die Beatrice und Rochus Mummert-Stiftung dar, welche im Jahr 2040, nach vollständiger Vermögensverwendung für gemeinnützige Zwecke, geschlossen wird.
Errichtung, Anerkennung und Beendigung
Die Errichtung der Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht setzt die staatliche Anerkennung voraus. Diese wird wiederum erteilt, wenn unter anderem die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes gesichert erscheint (§80 Abs. 1 BGB).
Bei einer Verbrauchsstiftung scheint die dauernde Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert, wenn die in der Satzung für die Stiftung bestimmte Zeit mindestens zehn Jahre umfasst (§ 82 S. 2 BGB).
Die Anerkennung setzt darüber hinaus voraus, dass der Stifter im Stiftungsgeschäft unter anderem in der Satzung angibt, mit welchem Vermögen (gewidmetes Vermögen) der genau zu bestimmende Stiftungszweck verfolgt werden soll (§81 Abs. 1 BGB). Diese Angaben sind im Stiftungsrecht stets zu treffen.
Bei der Verbrauchsstiftung sind zusätzliche Angaben wie die Festlegung der Zeit, für die die Stiftung errichtet wird, zu machen (§81 Abs. 2 BGB). Auch Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens und dessen Verbrauch, müssen angegeben werden.
Eine Verbrauchsstiftung ist gemäß §87 Abs. 2 BGB aufzulösen, wenn die Zeit, für die sie errichtet wurde, abgelaufen ist.
Verbrauchsstiftung als Antwort im Stiftungsrecht auf die Niedrigzinsphase
Eine Besonderheit der Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht ist, dass sie eine Antwort auf die anhaltende Niedrigzinsphase darstellen und neue Spielräume schaffen kann.
Diese erschwerte es herkömmlichen Stiftungen, ihren Stiftungszweck dauerhaft mit ihren erwirtschafteten Erträgen zu verfolgen. Denn in einer Niedrigzinsphase ist dieses nur unzureichend finanziell möglich, da die Erträge deutlich geringer ausfallen.
Eine Verbrauchsstiftung ist nicht auf die Erwirtschaftung von Zinsen angewiesen, da bei der Verbrauchsstiftung das Kapital zur Verfolgung des Stiftungszweckes verbraucht wird. Somit müssen, anders als bei herkömmlichen Stiftungen im Stiftungsrecht, Stifter keine höheren Haftungsrisiken in Kauf nehmen.
Erhöhte Flexibilität
Im Gegensatz zu herkömmlichen Stiftungen im Stiftungsrecht und der herkömmlichen Vermögensübertragung bieten Verbrauchsstiftungen einen erhöhten Grad an Flexibilität insbesondere für Stifter, die ihr Vermögen zu Lebzeiten zweckbestimmt verwenden wollen.
Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Vermögensübertragung ermöglicht das Stiftungsrecht es, mithilfe einer konkretisierten Stiftungssatzung genau zu bestimmen, welche finanziellen Mittel, zu welcher Zeit für einen bestimmten Zweck verwendet werden (vgl. §81 BGB).
Der Stifter kann zu seinen Lebzeiten Gutes tun und seine Angehörigen unterstützen und die Auswirkungen verfolgen und begleiten. Sein Vermögen wird nicht, wie im Falle der Ewigkeitsstiftung, über Jahrzehnte hinweg „versteinert“, sondern kommt flexibel zum Einsatz.
Auch bieten sich unterschiedlich Gestaltungs- und Umwandlungsmöglichkeiten im Stiftungsrecht. Grundsätzlich muss sich der Stifter nicht schon vor der Errichtung starr für eine herkömmliche oder eine Verbrauchsstiftung entscheiden. Aufgrund dieser Flexibilität kann auf unerwartete Entwicklungen auf dem Markt und in der persönlichen Sphäre reagiert werden.
Umwandlung
Eine Stiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurde, kann auch im Nachhinein in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden (§85 Abs. 1 Satz 3 BGB). Voraussetzungen im Stiftungsrecht ist, dass der Stifterwille und die Stiftungssatzung dieses zulassen und eine Satzungsänderung um die zusätzlichen Bestimmungen gemäß §81 Abs. 2 BGB stattfindet (sogenannter Änderungsvorbehalt).
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Stiftung ihren Zweck nicht mehr dauerhaft und nachhaltig erfüllen kann, insbesondere also, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und sich dieses bei der Umgestaltung in eine Verbrauchsstiftung ändern würde (§85 Abs. 1 Nummer 1 BGB).
Diese Möglichkeit der Umwandlung ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn die Stiftung zwar noch über Stiftungsvermögen verfügt, aber mit diesem der Stiftungszweck nicht mehr nachhaltig verfolgt werden kann, da keine ausreichenden Erträge mehr erzielbar sind. Daher kommt in Niedrigzinsphasen eine Umwandlung als effiziente Lösung in Betracht.
Auf eine kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Daniel Sieveke im Jahr 2015 antwortete die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf die Frage, wie sie die Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf Ewigkeitsstiftungen bewerte: „Die andauernde Niedrigzinsphase stellt die Ewigkeitsstiftungen zunehmend vor ernsthafte Probleme bei der Erfüllung des Stiftungszwecks, weil bei auslaufenden alten Anlageverträgen nicht mehr genügend Mittel für die Zweckerfüllung generiert werden können.“
Teil-Verbrauchsstiftung
Darüber hinaus bietet das Stiftungsrecht die Möglichkeit der Errichtung einer Teil-Verbrauchsstiftung. Diese verbindet die Vorteile der Ewigkeitsstiftung mit denen der Verbrauchsstiftung und bietet eine weitere Möglichkeit der flexiblen Gestaltung im Stiftungsrecht.
Denn bei einer Teil-Verbrauchsstiftung kann über die liquiden Mittel zur Verfolgung des Stiftungszweckes verfügt werden. Dieser Teil entspricht einer Verbrauchsstiftung.
Gleichzeitig wird die Teil-Verbrauchsstiftung, wie eine herkömmliche Stiftung, dauerhaft und auf unbestimmte Zeit errichtet, wobei der langfristige Stiftungszweck mit den Erträgen aus dem übrigen Stiftungsvermögen verfolgt wird.
Die Errichtung einer Teil-Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht ist dann sinnvoll und vorteilhaft, wenn eine Stiftung nicht vollständig dazu in der Lage ist, den Stiftungszweck mit ihren Erträgen zu verfolgen.
Darüber hinaus bietet sie auch die besondere Möglichkeit, einen Teil des Vermögens für bestimmte Zwecke zu verwenden, während der andere Teil gesichert bleibt und Erträge abwirft.
Besonders eignet sich die Teil-Verbrauchsstiftung für den Fall, dass der Stifter nachfolgende Generationen unterstützen will. Der Stifter kann die Ausbildung von Kinder finanzieren und gleichzeitig den verbleibenden Teil des Stiftungsvermögens unangetastet lassen und in der Zukunft für andere Zwecke oder für weitere Ausbildungs- oder Unterstützungstätigkeiten verwenden.
Verbrauchsstiftung als Nachfolgeplanungs-Instrument
Auch im Gegensatz zur herkömmlichen Familienstiftung kann sich die Organisation als Verbrauchsstiftung als vorteilhaft erweisen.
Denn in Niedrigzinsphasen ist die herkömmliche Familienstiftung, die unter anderem als Vermögensnachfolge-Instrument oder als Unterhaltsstiftung der Absicherung und Versorgung von Familienmitgliedern dient, weniger leistungsfähig.
Auch bietet die sogenannte Familien-Verbrauchsstiftung den Vorteil, dass der Stifter die Einteilung des Vermögens viel konkreter und planmäßiger bestimmen kann.
Aufgrund der Errichtung auf eine bestimmte Zeit, kann der Stifter genau in der Satzung festlegen, welcher Teil des Vermögens an welche Angehörigen und zu welchen Zwecken innerhalb der persönlich erlebten Generation dienen soll. Der Stifter kann sich bewusst dagegen entscheiden, entfernte und unbekannte Angehörige zu begünstigen, wenn seine Kinder beispielsweise kinderlos bleiben.
Ob bei der Familien-Verbrauchsstiftung Ertragssteuer bei Ausschüttungen an begünstigte Familienmitglieder anfällt, wie es bei der herkömmlichen Familienstiftung der Fall wäre, kann geprüft werden. Dies folgt aus dem Umstand, dass bei einer Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht das Stiftungsvermögen und nicht die Erträge ausgezahlt werden.
Eine Umwandlung von einer Familienstiftung in eine Familien-Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht kann sich in der Satzung vorbehalten werden.
Gemeinnützigkeit
Grundsätzlich kann eine Verbrauchsstiftung, soweit sie selbstlos, ausschließlich und unmittelbar einen Zweck der Gemeinnützigkeit verfolgt, von vollumfänglichen Steuervergünstigungen gemäß §§51ff. Abgabenordnung; AO profitieren.
Bei der Familien-Verbrauchsstiftung im Stiftungsrecht ist zu beachten, dass diese oft als privatnützige Stiftung errichtet wird, soweit der Hauptzweck die Versorgung und Begünstigung der Angehörigen ist. In diesem Falle kann die Stiftung nicht uneingeschränkt von Steuervergünstigungen profitieren.
Stiftern steht jedoch die Möglichkeit offen, eine gemeinnützige Stiftung zu errichten und ihren Angehörigen gemäß §58 Nummer 6 AO hieraus Unterhalt zu gewähren und sie so zu unterstützen. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahmeregelung des Stiftungsrechts, in dem die Steuervergünstigung grundsätzlich an die strikte Verfolgung von Zwecken der Gemeinnützigkeit gebunden ist.
Voraussetzung ist, dass die Stiftung höchstens ein Drittel ihres Einkommens für die Unterhaltung der Angehörigen „in angemessener Weise“ verwendet. Wann der Unterhalt angemessen ist, richtet sich auch nach dem Lebensstandard der Angehörigen.
Resumé
Durch die Verbrauchsstiftung eröffnen sich neue Spielräume im Stiftungsrecht, das Vermögen gezielt, flexibel und zu Lebzeiten einzusetzen. Eine Ausnahmeregelung besteht, wenn Stifter ihr Vermögen dazu verwenden wollen, Angehörige geplant zu unterstützen und gleichzeitig steuerlich gestaltend tätig zu werden.
„Die Verbrauchsstiftung ergänzt die herkömmliche Ewigkeitsstiftung um eine moderne und flexible Lösung. Als gezielte Antwort auf Niedrigzinsphasen schafft sie Gestaltungsspielräume für den plan- und wirkungsvollen Einsatz von Vermögen sowie dessen Übertragung.“ So dtb-Partner und Experte für Stiftungsrecht Bertold Schmidt-Thomé.
Stand 27.05.2025