Seit dem 1. Januar 2025 können Körperschaften wie Stiftungen, Vereine oder Unternehmen steuerlich begünstigt werden, wenn sie wohngemeinnützige Zwecke fördern (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 Abgabenordnung; AO). Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) führte in Umsetzung des Koalitionsvertrages, den neuen gemeinnützigen Zweck der vergünstigten Wohnraumüberlassung ein. Stellen Körperschaften dauerhaft vergünstigten Wohnraum zur Verfügung, können sie dafür mit steuerlichen Begünstigungen belohnt werden.
Gemeinnützigkeit als Steuerbegünstigungsmechanismus
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit kann beispielsweise für Wohnungsunternehmen von großer Bedeutung sein, da die damit verbundenen Steuerbegünstigungen praktische Auswirkungen im Hinblick auf das Wirtschaften und die Investitionen innerhalb des Unternehmens haben können. Diese Steuerbegünstigungen sind im Gemeinnützigkeitsrecht mit der Verfolgung konkreter Ziele verbunden.
Das Gemeinnützigkeitsrecht kommt Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes (KStG) zugute (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 2 AO). Hierzu gehören beispielsweise Stiftungen und Vereine, die in den Bau von Wohnraum investieren und sozial Schwache unterstützen wollen.
Insbesondere können jedoch Wohnungsunternehmen, die sich verpflichten langfristig günstigen Wohnraum zu schaffen, profitieren. Bereits bestehende Wohnungsunternehmen die im sozialen Wohnungsbau tätig sind und Wohnungsbestände innehaben, können als Ganzes in die Wohngemeinnützigkeit überführt werden. Eine gänzlich neue Gründung eines Wohnungsunternehmens unter der Neuen Wohngemeinnützigkeit ist indes auch möglich.
Für private Investoren ist der Zugang zur Neuen Wohngemeinnützigkeit zwar begrenzt. Es könnte jedoch die Möglichkeit einer Kooperation zwischen privaten und gemeinnützigen Bauträgern bestehen.
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schätzt, dass zunächst rund 100 Körperschaften von den Steuerbegünstigungen profitierten können.
Das Gemeinnützigkeitsrecht ist seit 1977 in der Abgabenordnung verortet. Die Abgabenordnung des Bundes regelt die grundlegende Struktur des Steuer- und Abgabenrechts in der Bundesrepublik. Konkrete Regelungen finden sich daneben in den einzelnen Steuergesetzen (beispielsweise im Einkommensteuergesetz). Die Abgabeordnung empfindet im Wesentlichen den zeitlichen Ablauf des Besteuerungsverfahrens nach und regelt diesen. Sie enthält möglichst genaue Bestimmungen der jeweiligen Pflichten und Rechte der Steuerpflichtigen.
Besonders wichtig für Körperschaften wie Wohnungsunternehmen ist ein Blick in den Dritten Abschnitt, welcher die „Steuerbegünstigten Zwecke“ regelt (§§ 51ff. AO). Verfolgt eine steuerpflichtige Körperschaft mindestens einen der gemeinnützigen Zwecke kann sie von Steuerbegünstigungen profitieren. Konkret ist das Verfolgen gemeinnütziger Zwecke gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 2 der Abgabenordnung die Kernvorschrift, die für Körperschaften im Wohnungsmarkt nun relevant ist. Im Jahressteuergesetz 2024 hat die Bundesregierung mit der Nummer 27 den neuen „wohngemeinnützigen“ Zweck eingefügt, die vergünstigte Wohnraumüberlassung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 AO).
Es wurde mit der Neue Wohngemeinnützigkeit (NWG) ein neues wertvolles neues Instrument für Körperschaften wie Wohnungsunternehmen, Stiftungen und Vereine geschaffen, um im Wege des Gemeinnützigkeitsrechts als Steuerbegünstigungsmechanismus Anreize zur Schaffung von Wohnraum zu setzen.
Wohngemeinnützigkeit in der Bundesrepublik
Erstmalig einführt wurde die Wohngemeinnützigkeit in 1851. Mit der Neuen Wohngemeinnützigkeit wurde somit keine Novum geschaffen, sondern eine bekannte wohnungspolitische Tradition weitergeführt.
Es wurden viele gemeinnützige Wohnungsunternehmen gegründet und so staatlich gefördert, dass ein Anreiz zum Tätigen von gemeinwohlnützigen Investitionen auf dem Wohnungsmarkt gesetzt wurde. Unternehmen verpflichteten sich dazu, überschüssig erwirtschafteten Einnahmen in Neubauten zu investieren. Konkrete Anreize schafften das Gewähren von vergünstigten Darlehen, die Befreiung von bestimmten Erlaubnispflichten und unterschiedlichste Steuerbegünstigungen beispielsweise bei der Körperschafts- und Gewerbesteuer. Somit galt die Wohngemeinnützigkeit als weitreichendes und umfassendes Instrument für sowohl die profitierenden Mieter als auch die steuerbegünstigten Unternehmen. Die Wohngemeinnützigkeit trug sogar maßgeblich zum Wiederaufbau bei. Ihr Ende fand sie im Jahr 1990 als die damalige Regierung entschied, nun auf die Kräfte des Marktes setzten zu wollen.
Nach langer Debatte und langjährigen Forderung wurde die Wohngemeinnützigkeit nun wiederaufgegriffen. Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, freut sich über dieses Wiederaufleben im Rahmen der Neuen Wohngemeinnützigkeit. „Die Wohngemeinnützigkeit ist wieder da! Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, dieses so wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Mit der Wohngemeinnützigkeit schaffen wir neben dem sozialen Wohnungsbau eine weitere starke Säule für mehr bezahlbaren Wohnraum in unserem Land. Soziale Unternehmen, Vereine und Stiftungen können künftig vergünstigten Wohnraum bereitstellen und dabei von den umfassenden Steuererleichterungen der Gemeinnützigkeit profitieren.“.
Konkrete Auswirkungen der Neuen Wohngemeinnützigkeit
Die konkreten steuerlichen Auswirkungen für beispielsweise bestehende oder neu gegründetenWohnungsunternehmen sind weitreichend.
Einerseits werden unmittelbare steuerliche Begünstigungen gewährt. Bei Anwendung der Neuen Wohngemeinnützigkeit sind die Körperschaften von der Errichtung der Ertragssteuer (Körperschafts- und Gewerbesteuer) befreit. Auch bei der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer bestehen Steuervorteile. Diese Vorteile sollen sicherstellen, dass Unternehmen auch bei einer gemeinnützigen Vermietung kostendeckend arbeiten können. Es wird eine Kompensation für die dauerhaft gesenkten Mindermieteinnahmen durch die vergünstigte Wohnraumüberlassung geschaffen. Dies kann Körperschaften, wie große Unternehmen extrem entlasten. Unternehmen erhalten somit finanzielle Spielräume, die ohne die Neue Wohngemeinnützigkeit nicht verfügbar gewesen wären. Beispielsweise können sie mithilfe der Einsparungen in ihren Bestand investieren. Vorteil ist, dass Unternehmen durch staatliche Anreize die Möglichkeit gegeben wird, solche Wohnungen unter marktüblichen Preisen zu vermieten, die sie ansonsten gewinnbringend hätten vermieten müssen. Damit entlastet der Staat Mieter mittelbar und gibt Unternehmen unmittelbar die Möglichkeit flexibler Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Andererseits gewährt die Neue Wohngemeinnützigkeit den Körperschaften mehr zeitlichen Spielraum für das Ansparen von Mitteln. Grundsätzlich muss eine Körperschaft ihre Mittel nach der Einnahme für den satzungsmäßigen gemeinnützigen Zweck zeitnah verwenden (vgl. § 55 Nr. 5 AO). Insbesondere für Unternehmen, die langfristige und größere Projekte wie den Neubau oder die Sanierung von Wohnungen planen, ist diese zeitliche Begrenzung problematisch. Die Neue Wohngemeinnützigkeit hat hierauf reagiert und lässt Ausnahmen zu dieser zeitlichen Begrenzung zu (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die Möglichkeit steuerfreie Rücklagen zu bilden, kann dafür genutzt werden, Mittel zu sparen, die später in größere Projekte wie den Neubau oder die Sanierung von Wohnungen investiert werden können. Es werden durch die erweiterte zeitliche Flexibilität auch nachträgliche Anpassungen von Planungen und Projekten ermöglicht. Voraussetzung ist stets, dass diese dem gemeinnützigen Zweck dienen.
Das Bundesministerium schätzt die möglichen Steuererleichterungen jährlich auf rund 1.000 bis 2.000 Euro pro Wohnung. Bei einem beispielhaften Unternehmen mit 300 Wohnungen würde das eine Sparsumme in Höhe von einer halbe Million Euro bedeuten. Diese könnte dann nach den beschriebenen Regelungen längerfristig angespart und investiert werden.
Positiv hervorzuheben ist, über die gewährten steuerlichen Begünstigungen hinaus, die Flexibilität des Instruments. Den Körperschaften steht es frei, die Neue Wohngemeinnützigkeit je nach Bedarf auf nur ausgewählte Immobilien oder Projekte anzuwenden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit nur bestimmte Unternehmensteile auf die Förderung wohngemeinnütziger Zwecke auszulegen.
Auch entstehen Unternehmen keine Nachteile bei dem Wechsel von der Steuerpflichtigkeit in die Steuerfreiheit der Abgabenordnung. Wechselt beispielsweise ein Wohnungsunternehmen zur Neuen Wohngemeinnützigkeit, ist es nicht zur Aufdeckung seiner stiller Reserven (Endbesteuerung) verpflichtet (§§ 13 Abs. 4, 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG).
Somit sind die konkreten steuerrechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen der Neuen Wohngemeinnützigkeit für Körperschaften wie Wohnungsunternehmen weitreichend. Sie erschaffen eine attraktive finanzielle Grundlage, um Projekte langfristiger planen zu können und Ersparnisse zeitlich flexibler zu investieren. Laut Pressemitteilung zur Neuen Wohngemeinnützigkeit könnten perspektivisch wohngemeinnützige Unternehmen zusätzlich mit gezielten Maßnahmen gefördert werden.
Die Neue Wohngemeinnützigkeit hat auch direkte Vorteile für den Wohnungsmarkt. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schätzt, dass rund 105.000 Mieter von der Neuen Wohngemeinnützigkeit profitieren können.
Rechtliche Vorraussetzungen
Um sich diese Vorteile zu sichern, muss die Körperschaft sich in ihrer Satzung demgemeinnützigen Zweck der vergünstigten Wohnraumüberlassung verpflichten. Möchte beispielsweise ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen (gWU) von den Steuerbegünstigungen profitieren, ist es ratsam, zunächst einen Blick in die eigene Satzung zu tätigen und gegebenenfalls präzise formulierte Anpassungen vorzunehmen.
Die Kernvoraussetzung ist, dass Wohnraum dauerhaft unter der marktüblichen Miete zur Verfügung gestellt wird. Andernfalls ist der Entzug der Gemeinnützigkeit die Folge. Eine stetige Prüfung der marktüblich Miete ist daher ebenfalls ratsam.
Zuletzt müssen die Voraussetzungen der Förderung wohngemeinnütziger Zwecke gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 der Abgabenordnung vorliegen. Dies setzt voraus, dass die Tätigkeit der Körperschaft darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf „materiellem, geistigen oder sittlichen Gebiet selbstlos zu fördern“ (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Zweckkatalog der Abgabenordnung gibt in § 52 Abs. 2 solche Betätigungen vor, die als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind. Der Zweck der vergünstigten Wohnraumüberlassung (Nr. 27) fällt nun hierunter.
Hiernach muss der vergünstigte Wohnraum an hilfsbedürftige Menschen überlassen werden (vgl. §§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 Satz 1, 53 AO). Die Regelung orientiert sich an dem Personenkreis, der im Rahmen der Förderung mildtätiger Zwecke (§ 53 AO) begünstigt ist. Diese Regelung hatte schon vor der Neuen Wohngemeinnützigkeit Steuervergünstigungen in einem engen Rahmen ermöglicht.
Anders als bei der Regelung über mildtätige Zwecke betrifft die Neue Wohngemeinnützigkeit jedoch einen deutlich größeren Personenkreis. Welche Personen als hilfsbedürftig anzusehen sind und wen es daher zu fördern gilt, bestimmt sich unter anderem nach dem Einkommen (vgl. §§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 Satz 2 AO). Es fallen nun Personen mit einem Einkommen, das nicht mehr als das Fünffache des Sozialhilferegelsatzes beträgt unter den Personenkreis. Bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden gilt das Sechsfache des Sozialhilferegelsatzes (dieser bestimmt sich nach dem zwölften Buch des Sozialgesetzbuches; SGB XII). Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hierzu: „Die Einkommensgrenzen sind so festgelegt, dass 60% der Haushalte in Deutschland von der
neuen Wohngemeinnützigkeit profitieren können. Der Tag des Inkrafttretens ist ein guter Tag für alle Mieterinnen und Mieter“.
Diese Erweiterung des Personenkreises ist für Körperschaften wie Wohnungsunternehmen, die von der Neuregelung profitierten wollen, ebenfalls von großem Vorteil. Denn die Voraussetzung der Überlassung an hilfsbedürftige Personen ist schneller erreicht.
Auch müssen im Vergleich zu der Regelung über mildtätige Zwecke (vgl. § 53 AO) keine stetigen Einkommensprüfungen stattfinden. Die Hilfsbedürftigkeit muss gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 Satz 3 der Abgabenordnung bloß zu Beginn des neuen Mietverhältnisses nachgewiesen werden. In anderen Worten beeinflusst eine Veränderung des Einkommens während der Mietdauer das Vorliegen der Voraussetzungen nicht negativ. Dies ist von Vorteil, da Körperschaften nun von hoch bürokratischen und aufwendigen Prüfungen der Veränderung von Einkommensverhältnissen einzelner Mieter befreit sind.
Resumé
Die Neue Wohngemeinnützigkeit ist eine Win-Win-Situation. Während für Mieter eine dauerhaft bezahlbare Wohnsituation entsteht, ist es nun für Unternehmen rechtlich möglich und finanziell attraktiv, sich sozial zu engagieren. „Für sozial ausgerichtete Körperschaften wie Wohnungsunternehmen ist es ratsam, sich mit der Neuen Wohngemeinnützigkeit auseinanderzusetzen. Für sie sind Steuerbegünstigungen vorgesehen.“, dtb-Rechtsanwalt und Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechtsexperte Bertold Schmidt-Thomé hierzu. „Die Wiedereinführung der Neuen Wohngemeinnützigkeit stellt ein sinnvolles und flexibles Instrument dar, welches steuerliche Anreize zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum setzt. Die Unternehmen erhalten für ihre Gemeinnützigkeit einen breiten Investitions- und Ausgestaltungsspielraum im Hinblick auf ihre Steuereinsparungen.“
Stand 06.03.2025