In seinem Urteil vom 5. März 2025 entschied das Pariser Gericht Tribunal Judiciaire de Paris zu Gunsten der Luxusmarke Cartier in einem Rechtsstreit im Markenrecht um den bekannten LOVE-Armreif. Die Luxusmarke Cartier ging erfolgreich gegen den britischen Schmuckhersteller Goussin Ltd. vor, welcher ähnliche Armreifen unter Verwendung des LOVE-Schriftzuges vertrieb.
Das Urteil zeigt, wie das Markenrecht unternehmerisch sinnvoll genutzt werden kann, um Produktmarken wie Cartiers LOVE-Kollektion als eigenständige Marke zu positionieren und schützen.
Die LOVE-Kollektion der Luxusmarke Cartier
Der heute weltbekannte LOVE-Armreif wurde in den späten sechziger Jahren vom italienischen Schmuckdesigner Aldo Cipullo geschaffen. Mit seinem schlichten und eleganten Design hat er schon damals den Arm von berühmten Persönlichkeiten wie Elizabeth Taylor und Richard Burton, Nancy und Frank Sinatra und Ali MacGraw und Steve McQueen geschmückt.
Der LOVE-Armreif hebt sich besonders von Schmuckstücken anderer Luxusmarken ab, da er über einen speziellen Schließmechanismus verfügt und die Schrauben sichtbar sind. Der Armreif konnte in seiner ursprünglichen Version nur mithilfe einer zweiten Person, die über einen besonderen Schraubenzieher verfügte und die Schrauben lockerte, abgenommen werden.
Diese Besonderheit führte zu der Namensgebung des LOVE-Armreifes. Cipullo erklärte hierzu: „Was moderne Menschen wollen, sind Liebessymbole, die semipermanent verschlossen werden können oder zumindest nur schwer abzulegen sind.“
Seitdem der LOVE-Armreif der Luxusmarke Cartier, welcher ursprünglich aus vergoldetem Silber bestand, auf dem Markt ist und sich internationaler Bekanntheit und Beliebtheit erfreut, hat die Luxusmarke das Angebot erweitert. Die Luxusmarke Cartier brachte im Jahr 1969 die LOVE-Kollektion heraus. Sie umfasst, neben den verschiedenen Varianten des Armreifes, nun auch Ringe, Ohrringe, Manschettenknöpfe, Charms und Ketten.
Nicht selten musste die Luxusmarke Cartier in der Vergangenheit gegen Nachahmer vorgehen. Sie schützte die LOVE-Kollektion mithilfe vom Markenrecht, indem sie den Schriftzug „LOVE“ als französische Wortmarke für den LOVE-Armreif erstmals im Jahr 1974 anmeldete und im Jahr 2015 erneuerte (Vgl. §3 Abs. 1 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen, MarkenG).
Prozessverlauf
Anfang September 2022 hatte die Luxusmarke Cartier Klage im Rechtsstreit im Markenrecht bei dem Pariser Gericht Tribunal Judiciaire de Paris gegen den britischen Schmuckhersteller Goussin Ltd. eingereicht. Im Vorfeld hatte die Luxusmarke Cartier den britischen Schmuckhersteller erfolglos abgemahnt.
Konkret warf die Luxusmarke Cartier dem britischen Schmuckhersteller vor, durch die Verwendung des „LOVE“-Schriftzuges die Luxusmarke in ihrem Markenrecht verletzt zu haben. Denn der Schmuckhersteller vertrieb auf seiner Website ähnliche Armreifen unter Verwendung des Schriftzugs „LOVE“.
Am 5. März 2025 gab das Gericht in Paris der Luxusmarke Cartier Recht und bestätigte, dass im Angebot ähnlicher Armreifen unter Verwendung des Schriftzuges unter anderem eine Verletzung im Markenrecht zu sehen sei.
Das Gericht billigte der Luxusmarke Cartier Schadensersatz in Höhe von 24.000,00€ zu und verpflichtete den Schmuckhersteller dazu, der Luxusmarke Cartier Informationen zu seinen Produktions- und Vertriebswegen bezüglich der betroffenen Schmuckstücke offenzulegen.
Das Markenrecht
Viele Unternehmen melden Marken an und bedienen sich der Wettbewerbsvorteile, die das Markenrecht als gewerbliches Schutzrecht des geistigen Eigentums bereithält.
Denn der Inhaber vom Markenrecht kann gegen Dritte vorgehen, die ein eingetragenes oder ähnliches Zeichen verwenden und somit das Markenrecht des Markeninhabers verletzen (gemäß §§14ff., 4 MarkenG).
Ein weiterer Vorteil vom Markenrecht besteht darin, dass es den Konsumenten die Identifizierung von Luxusmarken ermöglicht, da es die Produkte ganz konkret dem dahinterstehenden Unternehmen zuordnet. Das hinter Luxusmarken stehende Unternehmen können so eine Assoziation mit einem bestimmten qualitativen Standard, einem bestimmten Design oder ähnlichen Kriterien und Wiedererkennungsfaktoren herstellen (vgl. §§14, 4 MarkenG).
Darüber hinaus schützt das Markenrecht auch Konsumenten vor einer Verwechselung mit anderen, ähnlich erscheinenden Produkten und stellt somit sicher, dass sie Produkte der Luxusmarken mit hohem qualitativen Standard genießen und besitzen können (sogenannte Herkunftsfunktion).
In der Europäischen Union (EU) werden das Markenrecht und seine Bedeutung und Schutzrichtung weitgehend harmonisiert. Es besteht aus nationalem Recht der Mitgliedstaaten, dessen Grundlage die EU-Markenrechtsrichtlinie (2015/2436) ist und insbesondere der Unionsmarkenverordnung (UMV) von 2016.
Worum ging es im Rechtsstreit konkret?
Konkret berief sich die Luxusmarke Cartier insbesondere auf das Markenrecht in seiner Herkunftsfunktion. Denn durch die optische Ähnlichkeit und die markenmäßige Verwendung des Schriftzuges „LOVE" durch den britischen Schmuckhersteller bestehe für die Konsumenten eine Verwechslungsgefahr.
Zwar argumentierte der Schmuckhersteller, dass der Begriff „LOVE" in der Modebranche häufig verwendet und vom durchschnittlichen Verbraucher nicht als Herkunftshinweis im Zusammenhang mit dem dahinterstehenden Unternehmen verstanden würde. Und er argumentierte, dass dieser schon nicht markenmäßig benutzt würde.
Das Gericht dieses verwies jedoch mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Markenrecht ab, nach der eine „Verwechslung insbesondere dann in Betracht kommt, wenn das Publikum glauben konnte, dass die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.“
Hierfür spräche einerseits die starke äußerliche Ähnlichkeit der angebotenen Armreifen mit den originalen Armreifen der Luxusmarke Cartier. Wobei die unterschiedlichen Plattformen und Preise der Anbieter keine Rolle spielen würden.
Andererseits diene der Schriftzug „LOVE“ Cartier dazu, die Kollektion für die Käufern identifizierbarer und individualisierter zu gestalten. Daher benutzte Cartier den Schriftzug nicht nur „dekorativ“, sondern gerade um die Identität der Ware als „ikonisch“ auf dem Markt zu platzieren.
Das Gericht sah demnach eine Verwechselungsgefahr mit Blick auf die LOVE-Armreifen und entschied, dass die Luxusmarke Cartier den Schriftzug „LOVE“ markenmäßig verwende und somit eine Verletzung vorläge.
Seine Begründung stützt das Gericht auf den französischen Artikel L. 713-2 des Gesetzes über das geistige Eigentum, welcher eine europäische Richtlinie (2008/95/EG als Vorläufer von 2015/2436) umsetzt. Hierbei handelt es sich um eine Vorschrift, die dem deutschen §14 Abs. 2 MarkenG entspricht.
Er setzt die Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken um und untersagt die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens im geschäftlichen Verkehr ohne die Zustimmung des Markeninhabers. Unter anderem unter der Bedingung, dass eine Verwechslungsgefahr besteht, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
LOVE-Kollektion als Produktmarke im Markenrecht
Der Rechtsstreit um die LOVE-Kollektion der Luxusmarke Cartier zeigt, wie eine Kollektion als eigene Marke im Markenrecht als unternehmerisches Mittel erfolgreich verwendet werden kann. Und er zeigt, dass Produktmarken mithilfe vom Markenrecht geschützt werden können.
Bei einer Produktmarke im Markenrecht handelt es sich um Produkte oder spezielle Kollektionen, die auf dem Markt platziert werden und eine eigene Markenidentität unabhängig von der Unternehmensmarke entwickeln können.
Eine Produktmarke kann konkret den Namen des Produkts oder der Kollektion, ein eigenes Markendesign und andere visuelle Elemente, die die Kollektion mit der Luxusmarke und dem dahinterstehenden Unternehmen in Verbindung bringen oder für sich alleine stehen können, umfassen.
Mit der Produktmarke der LOVE-Kollektion diversifiziert die Luxusmarke Cartier ihre Markenidentität, denn Cartier vermarktet und etabliert die Kollektion auf dem Markt im Sinne einer eigenständigen Marke. Auch das Pariser Gericht bestätige, dass der Schriftzug „LOVE" markenmäßig für die Platzierung der „ikonischen“ Armreifen verwendet wurde.
Die strategische und sorgfältige Markenpflege und die stetige Ergänzung der LOVE-Kollektion, die das Design und die Symbolik des LOVE-Armreifes aufgreift, erweitern die Reichweite der Luxusmarke Cartier. Über die traditionelle Luxuskundschaft hinaus spricht die Kollektion ein jüngeres und vielfältigeres Publikum an.
Ende des Jahres 2024 verkündete das Unternehmen und Online-Luxus-Marktplatz TheRealReal, auf welchem mit gebrauchten Produkten von Luxusmarken gehandelt wird, dass die Nachfrage nach Produkten der Luxusmarke Cartier im Vergleich zum Vorjahr um 11 % gestiegen sei. Zur Begründung verweist das Unternehmen unter anderem auf die Popularität der LOVE-Kollektion.
Die Käufer hätten ein Bedürfnis danach, Schmuckstücke zu tragen, die einen Wiedererkennungswert haben. Die Leute „greifen zu den Dingen, die wirklich wiedererkennbar sind“, so Kelly McSweeney, leitende Merchandise-Managerin bei TheRealReal, gegenüber Business Insider. „Diese Stile laufen weiterhin sehr gut für uns.“
Für die Luxusmarke Cartier hatte die Etablierung der LOVE-Kollektion eine einschneidende Bedeutung mit Blick auf den internationalen Luxusschmuckmarkt. Die LOVE-Kollektion trägt heute wesentlich zu dem Gesamtumsatz der Luxusmarke Cartier bei, wobei ihr Verkauf ungefähr 30% von Cartiers gesamten Schmuckumsatzes ausmacht.
Die Bedeutung von Produktmarken im Markenrecht
Viele Luxusmarken sind sich der unternehmerischen Chancen bewusst, welche die Etablierung von Produktmarken im Markenrecht bereithält.
Denn die Etablierung einer Produktmarke ist eine Strategie zur zielgerichteten Markenführung im Markenrecht. Produktmarken dienen dazu, dass Luxusmarken für neue Zielgruppen geöffnet werden, indem neue und andere Kunden angesprochen oder dass neue Marktsegmente bedient werden.
So auch Boss Myhr, Direktor für Herren- und Damenmode der britischen Luxuskaufhauskette Selfridges. „Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen, etwas Neues anzubieten und andere Zielgruppen anzusprechen.“
Grundsätzlich bietet dies Luxusmarken die Möglichkeit, ihre Markenidentität zu gestalten und für konkrete Produkte oder Kollektionen einen eigenständigen Wiedererkennungswert zu schaffen, der sie anderen Wettbewerbsteilnehmern gegenüber abgrenzt.
Sie bieten nicht zuletzt deshalb eine bedeutsame unternehmerische Chance, welche das Markenrecht bereithält, da die hohe öffentliche Popularität einer Produktmarke die Anpassung der Preise möglich macht.
Weitere Beispiele für Luxusmarken mit erfolgreichen Produktmarken sind die Heaven-Kollektion der Luxusmodemarke Marc Jacobs, die Pleats Please-Kollektion der japanischen Luxusmodemarke Issey Miyake und die Play-Kollektion der Luxusmodemarke Comme des Garçon.
Resumé
Die LOVE-Kollektion der Luxusmarke Cartier ist ein Paradebeispiel für eine und erfolgreiche Produktmarke, deren Etablierung der Luxusmarke Cartier zu einem neuen Kundenkreis und noch größerer Bekanntheit verholfen hat. Das Urteil zeigt, dass Produktmarken schützenswert sind und mithilfe vom Markenrecht etabliert werden können.
dtb-Rechtsanwalt und Experte für Markenrecht Leon van Lee zu dem Rechtsstreit: „Das Urteil verdeutlicht die unternehmerischen und facettenreichen Chancen des Markenrechts. Denn es erlaubt Luxusmarken, ganze Produktlinien erfolgreich als eigene Marke zu etablieren und zu schützen. Andere Kunden werden angesprochen und neue Marktsegmente werden erschlossen.“
Stand 15.05.2025