31.10.2025

Internationaler Kunsthandel: Brexit und seine Auswirkungen

Der Kunsthandel weltweit wurde durch den Brexit, den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) zum Januar 2020, beeinflusst.

Während die innerhalb der EU geltende Mehrwertsteuerermäßigung den europäischen Kunstmarkt belebt, zeigen sich fünf Jahre nach dem Brexit deutliche Auswirkungen auf den internationalen und europäischen Kunsthandel und neue britische Perspektiven.

Kunsthandel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU

Der Kunstmarkt hat sich seit dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion spürbar verändert.

Innerhalb des Binnenmarkts der EU profitiert der Kunsthandel vom freien Warenverkehr sowie davon, dass Kunstgegenstände ohne Zölle oder sonstige Abgaben zwischen den Unionsländern zirkulieren können. Der Austritt führte zu komplexeren Regelungen beim Kunsthandel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.

Hierzu sagte Galerist Thaddaeus Ropac bereits kurz nach dem Brexit: „Zwischen den Galerien ist es schon wesentlich schwieriger geworden, Kunst zu bewegen“. Ropac hat im September 2025 eine siebte Dependance der weltbekannten Thaddaeus Ropac Galerie in Italien eröffnet.

Der Kunsthandel wird innerhalb der EU durch unionsrechtliche Vorschriften, die indirekte Kulturförderung, harmonisiert. Mit Blick auf die zu erhebende Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände führte die EU-Richtlinie 2022/542 zu einer Angleichung, die weitgehend einheitliche Steuersätzen in den EU-Mitgliedstaaten erreichen und so einen fairen Wettbewerb des Kunsthandels innerhalb der EU schaffen sollte.

Einheitliche Regelungen gelten nun für jegliche grenzüberschreitenden Transaktionen, auch solche mit Kunst, nicht mehr. Für das Vereinigte Königreich gelten eigene Zollbestimmungen, Mehrwertsteuervorschriften und Import- und Exportanforderungen für Transaktionen mit der EU.

Einflüsse von steuerrechtlichen Regelungen auf den Kunsthandel

Bei Importen von Kunstgegenständen in die EU wird von den Mitgliedstaaten deren jeweilige Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Und bei finalen Importen von Kunstgegenständen in das Vereinigte Königreich von der EU aus, ist die britische Einfuhrumsatzsteuer von 5% auf Originalbilder und Zeichnungen, Drucke in limitierter Auflage und Skulpturen in limitierter Auflage zu entrichten.

Diese neuen Vorschriften machen eine Zirkulation von Kunstgegenständen nicht nur kostspieliger für die Akteure des Kunstmarktes. Sondern das Tätigen von grenzüberschreitenden Transaktionen mit Kunst ist nun deutlich aufwändiger und komplizierter.

Beispielsweise gestaltet sich die Zusammenarbeit von Kunstmuseen bezüglich Leihgaben mit britischen Institutionen nun deutlich schwieriger. Laut dem Art Market Report der Art Basel und UBS gingen die Importe und Exporte von Kunst zwischen 2022 und 2023 um rund 16% zurück.

Auch Strategien, wie der VAT Margins Scheme, stellen neue Bewältigungsstrategien für diese steuerrechtlichen Entwicklung dar.

Keine Einfuhrumsatzsteuern bei temporärem Import

Das britische Finanzministerium hat im März 2025 den Zeitraum verlängert, in dem Kunst und Antiquitäten frei von Einfuhrzöllen in das Vereinigte Königreich gelangen können.

Das bedeutet für den internationalen Kunsthandel, dass keine Einfuhrumsatzsteuern für Kunstgegenstände anfallen, sofern sie innerhalb von vier Jahren wieder exportiert werden.

Diese Regelung verschafft dem Vereinigten Königreich eine bessere Wettbewerbsposition mit Blick auf den internationalen Kunsthandel. Die Konkurrenten, insbesondere New York und Hongkong, erheben zurzeit keine Einfuhrsteuern für Kunst oder Antiquitäten.

Sie soll insbesondere den Druck auf Händler verringern, Kunstwerke innerhalb von zwei Jahren verkaufen zu müssen und ihnen den Spielraum verschaffen, bessere Marktbedingungen und Angebote abzuwarten.

Britischer Minister für Medien, Kultur und Sport (DCMS) Chris Bryant sagte hierzu: „Wir haben versprochen, Maßnahmen zu ergreifen, um dem britischen Kunstmarkt zu helfen, und genau das tun wir.“

Zu beachten ist, dass bei Wiedereinfuhr in die EU die jeweilige Einfuhrumsatzsteuer des Mitgliedstaates erhoben wird.

Einfluss der zollrechtlichen Regelungen auf den Kunsthandel

Mit Blick auf zollrechtliche Regelungen hat sich für die Akteure des Kunsthandels wie Auktionshäuser, Sammler und Galeristen ein zusätzlicher logistischer Aufwand ergeben. Sie können nicht mehr von der gemeinsamen Zollunion profitieren, welche die Zusammenarbeit aller Zollbehörden, die Anwendung derselben Zolltarife für den internationalen Handel und den Erlass von EU-internen Zöllen garantiert.

Zwar sind Originalkunstwerke in den meisten Fällen vom Zoll befreit. Handelt es sich beispielsweise um Reproduktionen von Kunstgegenständen, können Zölle anfallen.

Für den Kunsthandel ergeben sich logistische Schwierigkeiten. Seit dem Brexit kommt es in den Häfen zu langen Wartezeiten durch Zollschlangen und beispielsweise Versicherungsgesellschaften haben aufgrund neuer Sicherungsanforderungen bei dem Transport von Kunst die Kosten erhöht.

Nun sind grundsätzlich auch die britischen Zollklassifizierungen zu beachten und ausführliche Deklarationen beim grenzüberschreitenden Im- und Export von Kunstgegenständen abzugeben.

So auch Chiara Tiberio, Direktorin der italienischen Galerie P420 aus Bologna:„Nach dem Brexit ist die Teilnahme an Messen in Großbritannien aus logistischer Sicht und in Bezug auf Transport- und Zollgebühren komplizierter geworden. Dies führt zu längeren Zeiten und hohen Kosten, da sowohl europäische als auch britische Spediteure und Zollämter einbezogen werden müssen.“

Auf der Kunstmesse Artissima Turin im vergangenen Jahr konnte beispielsweise ein Galerist keine Kunstwerke zeigen, da diese auf dem Weg im Zoll steckengeblieben waren. Es ist somit ratsam, bei einem Transfer aus dem Vereinigten Königreich zeitlich vorauszuplanen.

Deutsche Regelungen zum Kulturgüterschutz

Ein wichtiger Aspekt des europäischen Kunstmarktes und im Kunstrecht ist der Kulturgüterschutz. Seit dem Brexit behandelt Deutschland das Vereinigte Königreich auch bezüglich der Ausfuhr von Kulturgütern als Drittstaat.

Das bedeutet unter anderem, dass eine entsprechende Ausfuhrgenehmigung von Kulturgut nun bei geringeren Alters- und Wertgrenzen nötig ist, als sie für  EU-Mitgliedstaaten gelten.

Die Einfuhr von Kulturgüter aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland, welche ihren Ursprung nicht in einem EU-Mitgliedsland haben, regelt die EU-Einfuhrverordnung zum Schutz des kulturellen Erbes von Herkunftsstaaten außerhalb der Europäischen Union. Seitdem gilt eine Genehmigungs- oder Erklärungspflicht für die Einfuhr von Kulturgütern, welche in dieser Form nicht innerhalb der EU nötig sind.

Somit müssen Regelungen des Kulturgüterschutzes vor dem Transfer geprüft werden.

Kunsthandels-Knotenpunkt London geschwächt?

Für den Kunsthandel bedeuten diese Regelungen eine Verschiebung des geografischen Fokus des europäischen Kunstmarktes von London als zentralem Knotenpunkt des europäischen Kunstmarktes.

Nach dem Brexit zog eine hohe Zahl der bedeutsamen und treibenden Kräfte des Kunsthandels in andere europäische Hauptstädte wie Paris, Amsterdam und nach der Senkung der Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände in Italien, nach Mailand, Rom und Turin. Bedeutende Kunstgalerien wie Esther Schipper, Mendes Wood, Hauser & Wirth und Mariane Ibrahim eröffneten nach dem Brexit Dependancen in Paris und lockten Sammler, Künstler und Kunstinteressierte an.

Auch konnten vor dem Brexit Banken und weitere Finanzdienstleister wie J.P. Morgan und Barclays aus London für den gesamten Kunsthandel der EU agieren und beispielsweise Private Clients europaweit betreuen.

Um nach dem Brexit weiterhin diese Möglichkeiten zu haben, verlagerten sie operative Teile ihres Teams in EU-Finanzzentren wie Dublin, Luxemburg oder Frankreich, um das Finanzvolumen auch für den Kunstsektor aufrechtzuerhalten.

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf Künstler?

Künstler des mittleren Preissegmentes, die im Vereinigten Königreich residierten und von dort aus Kunst schufen und mithilfe von Kunstgalerien handelten, mussten Umsätze einbüßen. Denn einige Sammler entschieden sich gegen Kunstkäufe im Vereinigten Königreich, da sie nicht mehr von den finanziellen Vorteilen der europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt profitieren konnten.

Auch steigende Kunstproduktionskosten und bürokratische Hürden beim Erhalt der Aufenthaltserlaubnis für Künstlerresidenzen und Forschungsaufenthalte ziehen viele Künstler in europäischen Städte.

Ausblicke für den britischen Kunsthandel

Trotz des Brexit bleibt London, insbesondere im höheren Preissegment, weiterhin ein wichtiger internationaler Hub für den Kunsthandel.

Der Art Market Report 2024 bestätigt, dass der Kunstmarkt des Vereinigten Königreichs wiederweltweit der zweitgrößte hinter den Vereinigten Staaten von Amerika bleibt. Das Vereinigte Königreich habe international einen größeren Kunstmarktanteil als alle Mitgliedstaaten kombiniert inne.

Den britischen Kunsthandel hat nach dem Brexit die Abwertung des britischen Pfundes angekurbelt, welche mehr internationale Kunstkäufe generierte. Da internationale Käufer nun Kunstwerke im Vereinigten Königreich zu günstigeren Wechselkursen kaufen konnten, wurden Kunstkäufe für Sammler nun außerhalb Europas attraktiver.

Der Kunsthandel wird jedoch auch durch neue internationale Beziehungen angetrieben. Laut des British Council werden beispielsweise neue kreativwirtschaftliche Verbindungen in die Vereinigten Arabischen Emirate geschaffen (Mehr zum Kunstcluster Golfregion).

Résumé

Den europäischen Kunsthandel beschäftigten seit dem Brexit bürokratische und finanzielle Belastungen bei grenzüberschreitenden Transaktionen und dem Kunsthandel mit dem Vereinigten Königreich. Gleichzeitig bleibt es weiterhin ein bedeutsamer internationaler Akteur des Kunstmarktes, welcher mit neuen Perspektiven und Strategien ausgestattet ist.

„Der Blick für die Kunstwelt richtet sich nach dem Brexit verstärkt auf europäische Kunst-Hubs in Paris und in Mailand, die von Unionsregelungen wie der ermäßigten Mehrwertsteuer profitieren.“ So dtb-Rechtsanwalt und Experte für Kunstrecht Pascal Decker.

Stand 31.10.2025