13.08.2025

OLG-Urteil: Gerhard Richter-Fenster im Kölner Dom

Im Urteil vom 23. Mai 2025 hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln) im Streit unter anderem um das Urheberrecht eine Bildagentur dazu verpflichtet, dem Eigentümer des Kölner Doms und dem Künstler Gerhard Richter Schadensersatz zu zahlen (6 U 61/24).

Im Vorfeld hatte die Bildagentur über 200 Fotos auf ihrer Datenbank zur kommerziellen Nutzung angeboten, ohne die nötigen Lizenzen eingeholt zu haben. Die Fotos zeigten den Innenraum des Doms und das Gerhard Richter-Fenster.

Prozessverlauf

Die Bildagentur führt eine Datenbank, auf der öffentlich Millionen von Fotos zur Lizenzierung für Dritte angeboten werden. Hier fanden der Eigentümer des Doms und der Künstler Gerhard Richter die streitgegenständlichen Fotos.

Im Vorprozess stellten das OLG Köln und das Landgericht Köln (LG Köln) im Jahr 2022 fest, dass die Bildagentur die Fotos mangels Lizenz nicht zur kommerziellen Nutzung hätte anbieten dürfen (8 O 419/19 - LG Köln; 19 U 130/21 - OLG Köln).

Die Bildagentur wurde bezüglich des verletzten Eigentums- und Hausrechts unter anderem zu Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz verurteilt (§903, §1004 Abs.1, §823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch; BGB). Im Berufungsverfahren bestätigte das OLG Köln diese Einschätzung.

Mit Blick auf die Fotos, welche das Richter-Fenster zeigten, gewährten beide Gerichte Schadensersatz aufgrund einer Urheberrechtsverletzung gemäß §§97 Abs. 2, 15, 16, 19a, 2 Abs.1 Nummer 4, Abs. 2 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; UrhG.

Nur bezüglich der Höhe der Schadensersatzzahlung, die ursprünglich auf 100.000 € festgelegt wurde, nahm das OLG Köln eine Reduzierung vor. Es verurteilte die Bildagentur zur Zahlung von 35.000 €.

Das Gerhard Richter-Fenster

Bei dem bekannten Gerhard Richter-Fenster handelt es sich um ein Fassadenfenster des südlichen Querhauses des Kölner Doms, welches vom deutschen Künstler Gerhard Richter entworfen wurde.

Es besteht aus über 11.000 Quadraten aus mundgeblasenem Echt-Antikglas, welche unterschiedliche bunte Farbtöne aufweisen. Die Platzierung der verschiedenen Quadrate und Farben wurde zur Hälfte mithilfe eines Zufallsgenerators festgelegt und die andere Fensterhälfte spiegelt sie.

Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hierzu: „Dieses riesige Domfenster ist etwas ganz Außerordentliches. Allein durch seine Größe verlangt es schon nach einer künstlerisch besonderen Leistung. “ Gerhard Richter sei ein „Künstler mit einem so unglaublich feinen Farbgefühl, einem sicheren Umgang mit großen Flächen und einem sensiblen Gespür für ungewöhnliche Strukturen [...]“.

Schutz des Urheberrechts im Kunstrecht

Ein Zweck des Urheberrechts als Kulturrecht ist es, Kunstwerke wie das Richter-Fenster als geistige Schöpfung in ihrem gestalterischen Aspekt im Kunstrecht zu schützen. Es besteht neben den gewerblichen Schutzrechten wie dem Design-, Patent- und Markenrecht (Zu dem urheberrechtlichen Fall um Drohnenfotos von Kunstinstallationen).

Insbesondere werden durch das Urheberrecht im Kunstrecht kreative Leistungen einheitlich geschützt. Denn sofern das Werk eine „persönliche geistige Schöpfung“ eines Menschen ist, entsteht der Urheberrechtsschutz unentgeltlich und unmittelbar für den Urheber (§2 Abs. 2 UrhG).

Dieser einheitliche Schutz wird durch den Schutz der Vermögensrechte (mit den kommerziellen Verwertungsrechten) und der Urheberpersönlichkeitsrechte gewährleistet. Einheitlich ist er deshalb, da ihnen das besondere Persönlichkeitsrecht als Stammrecht inhärent ist und sie „vielfältig miteinander verflochten“ eine „untrennbare Einheit“ bilden (BT-Drucksache 1965 IV 270, S. 43).

In bestimmten Fällen kann eine erlaubnisfreie und vergütungsfreie Nutzung möglich sein. Hierfür muss jedoch eine gesetzliche Schranke des Urheberrechts vorliegen (wie §59 Abs. 1 Satz 1; §57 UrhG).

Was beinhalten die Urheberpersönlichkeitsrechte im Urheberrecht?

Die Urheberpersönlichkeitsrechte schützen die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk im Kunstrecht (§11 Satz 1, §§12ff. UrhG).

Hierunter fällt einerseits das Recht auf Veröffentlichung (vgl. §§12 Abs. 1, 6 Abs. 1, 15 Abs. 3 UrhG). Dieses ermöglicht es dem Urheber, zu entscheiden, ob er sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht. Mit dieser Norm im Kunstrecht wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Urheber sich öffentlicher Kritik aussetzt.

Andererseits wird der Urheber in der freien Entscheidung geschützt, die Urheberschaft (nicht) anzuerkennen (§13 Satz 1 und 2 UrhG). Darüber hinaus kann sich der Urheber gegen eine Beeinträchtigung oder Entstellung seines Werkes gemäß §14 UrhG wehren.

Was beinhalten die Vermögensrechte im Urheberrecht?

Die Vermögensrechte, welche Verwertungsrechte beinhalten, betreffen die kommerzielle Nutzung des Werkes als Ausschließlichkeitsrechte (§§15ff. UrhG). Sie weisen dem Urheber bestimmte Rechte an seinem Werk zu und sichern als Vergütungsansprüche im Kunstrecht eine „angemessene Vergütung für die Nutzung“ der Werke durch Dritte (vgl. §11 Satz 1 und 2 UrhG).

In §15 Abs. 1 UrhG bestimmt das Gesetz, dass der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten (vgl. auch §§31ff. UrhG).

Hierunter fällt insbesondere das Vervielfältigungsrecht, welches es nur dem Urheber erlaubt, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen (§16 UrhG). Es umfasst auch digitale Kopien des Werkes und so das Einstellen und Abrufen im Internet und die Digitalisierung des Werkes. Auch kann es einschlägig sein, wenn nur ein Teil des Werkes vervielfältigt wird.

Nach §17 UrhG hat der Urheber das Recht, das Werk oder Vervielfältigungsstücke nach seiner freien Entscheidung in den Verkehr zu bringen oder der Öffentlichkeit anzubieten. Dem Urheber steht auch das Ausstellungsrecht zu (§18 UrhG).

Das Gesetz gewährt dem Urheber im Kunstrecht das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe in unkörperlicher Form gemäß §15 Abs. 2 UrhG.

Hierunter fällt auch das Recht, das Werk „drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“ gemäß §19a UrhG.

Sonstige Rechte umfassen das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§19 UrhG), das Senderecht (§20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§21 UhrG) und das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§22 UrhG).

Anspruch des Urhebers bei Rechtsverletzung

Bei einer widerrechtlichen Verletzung des Urheberrechts oder ein anderen nach diesem Gesetz geschützten Recht steht dem Verletzten die Möglichkeit im Urheberrecht offen, Unterlassung und Beseitigung dieser Verletzung zu verlangen (§97 Abs. 1 UrhG).

Ergänzend kann im Kunstrecht urheberrechtlicher Schadensersatz verlangt werden, wenn „die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig“ vorgenommen wurde (§97 Abs. 2 UrhG). Für die Berechnung des Schadensersatzes sind in höchstrichterlicher Rechtsprechung Maßstäbe entwickelt worden.

Was hat das Gericht konkret
im Urheberrechtsstreit um das Richter-Fenster entschieden?

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich bei dem Richter-Fenster unstreitig um ein urheberrechtlich geschütztes Werk gemäß §2 Abs. 1 Nummer 4 UrhG handelt.

Richter-Fenster als urheberrechtlich unwesentliches Beiwerk?

Die Bildagentur argumentierte, dass eine gesetzliche Schranke die Urheberrechtsverletzung ausschließe. Da auf auf einigen Fotos das Richter-Fenster „nicht das Hauptmotiv darstellt, sondern nur im Hintergrund zu sehen ist“, sei es als unwesentliches Beiwerk gemäß §97 UrhG nicht geschützt.

Diese Schranke lässt unter anderem die Vervielfältigung von Werken zu, „wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand anzusehen sind“.

Das OLG folgte der Rechtsprechung des BGH. Hiernach sei die Schranke nur anwendbar, wenn das Werk „weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne das die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird“ (BGH GRUR 2015, 667 Rn. 27 - Möbelkatalog).

Es stellte fest, dass das Richter-Fenster eine klare inhaltliche Beziehung zu dem Hauptmotiv, dem Innenraum des Kölner Doms, aufweise und somit für das gesamte Foto bedeutsam sei. Hinzu komme die große Bekanntheit des Gerhard Richter-Fensters und des Künstlers Gerhard Richter selber. Es sei nicht möglich, dieses Motiv auszutauschen, ohne die Gesamtwirkung zu beeinflussen.

Verletzung von urheberrechtlichen Prüfpflichten 

Ein wesentlicher Teil der Entscheidung betraf die Verletzung der eigenständigen Prüfpflichten der Bildagentur hinsichtlich der Bildrechte. Die Bildagentur müsse diese Verletzungshandlungen jedenfalls fahrlässig begangen haben (vgl. §97 Abs. 2 UrhG).

Das Gericht betrachtete die Struktur und das Geschäftsmodell der Bildagentur, um den Umfang der Prüfpflichten bezüglich der Bildrechte festlegen zu können. Das Geschäftsmodell ist so aufgebaut, dass sich die Bildagentur von den Fotografen im Vorfeld mithilfe von Kooperationsverträgen Verwertungsrechte an den Fotos einräumen lässt.

Diese werden eigenständig von den Fotografen auf der Website eingereicht. Nach Kennzeichnung mit der Marke der Bildagentur werden die Fotos auf der Website als Teil der Datenbank angeboten und die Rechte hieran gegen Entgelt an Dritte übertragen.

Die Bildagentur argumentiere mit Blick auf die Funktionsfähigkeit ihres Geschäftsmodells, dass sie die Bildrechte nicht selbst überprüfen könne und müsse. Insofern habe sie sich darauf verlassen, dass die Fotos rechtmäßig von den Fotografen erlangt wurden.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und stellte fest, dass dieses Vorgehen die Verantwortlichkeit für das von ihnen betriebene Geschäftsmodell verkenne. Die Bildagentur sei für die Überprüfung und rechtmäßige Lizenzierung der Fotos selbst verantwortlich.

Die Bildagentur habe somit ihre Prüfpflichten zumindest fahrlässig verletzt, indem sie die Rechtmäßigkeit der Verwertung nicht oder nicht ausreichend prüfte.

Die Beurteilung der Schadenshöhe anhand der Lizenzanalogie 

Mit Blick auf die Schadenshöhe stellte das Gericht eine erneute Beurteilung an und änderte die Entscheidung des LG Köln ab (vgl. §287 Zivilprozessordnung; ZPO).

Im Mittelpunkt der Beurteilung stand die Anwendung der Maßstäbe der Lizenzanalogie, welche bereits die Vorinstanz angewandt hatte. Hierbei handelt es sich um höchstrichterliche Rechtsprechung, die Maßstäbe zur angemessenen fiktiven Lizenzgebühr im Falle einer rechtswidrigen Nutzung betrifft.

Mithilfe der Lizenzanalogie wird der „Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen fingiert“. Es gilt die Lizenzgebühr als angemessen, „die verständige Vertragspartner vereinbart hätten; das ist der objektive, sachlich angemessene Wert der Rechtsbenutzung […]“.

Für die konkrete Berechnung sei die eigene Berechnungspraxis des Verletzten zugrunde zu legen. Somit zog das Gericht vorliegend die Tarife der Verwertungsgesellschaft-Kunst (VG-Kunst) heran, um die angemessene Vergütung für die Nutzung festzulegen.

Im Gegensatz zur Vorinstanz wendete das Gericht jedoch eine andere Tarifkategorie (Ziffer D) an, da diese vom Umfang und Zweck näher an der Bilddatenbank der Bildagentur angelehnt sei. Es sprach anhand dieser Grundsätze 35.000 € Schadensersatz zu.

Résumé

Die Entscheidung konkretisiert die Prüfpflicht, welche Bildagenturen als Betreiber von Foto-Datenbanken trifft, die ihre Inhalte nicht unmittelbar vom Urheber erhalten. Vor einer Veröffentlichung müssen sie sich eigenständig vergewissern, dass sie über die erforderlichen Nutzungsrechte verfügen und die Einstellung der Fotos rechtlich zulässig ist.

„Das Urteil stellt klar, dass die Zusicherung von Fotografen die Plattformbetreiber nicht von eigenen Prüfpflichten entbindet. Sie müssen eigenverantwortlich für die Rechtmäßigkeit der Inhalte sorgen und ihr Geschäftsmodell nötigenfalls anpassen.“ So dtb-Rechtsanwalt und Experte für Urheber- und Kunstrecht Leon van Lee.

Stand 13.08.2025