Seit Jahren beeinflusst und verändert die Präsenz der künstlichen Intelligenz (KI) den Kunstmarkt und wirft zunehmend neue und weitreichende juristische Fragen im Kunstrecht auf, die für Künstler, Sammler, Galeristen, Kuratoren und Investoren relevant sind.
Die Einbringung von KI in die Kunst und der damit verbundene Einsatz von KI-Werkzeugen verändert nicht nur das künstlerische Schaffen, sondern auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Kunstmarkt für seine Akteure. Insbesondere urheberrechtliche Fragestellungen sowie die daraus resultierenden wertbildenden Auswirkungen werden immer relevanter und bieten im Kunstrecht neue Herausforderungen und Chancen.
Welche Rolle spielt KI-Kunst?
Das Europäische Parlament definiert die KI als „die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.“ Denn sie ermöglicht es „technischen Systemen ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.“
Sowohl KI-Kunstwerke, daher von der KI generativ geschaffene Kunstwerke, als auch Kunst, bei deren Schaffung KI als technisches Werkzeug dient, sind der Kunstwelt nicht unbekannt. Bereits im Jahr 1986 begann Künstlerin Vera Molnár als Pionierin der KI-Kunst mithilfe von Programmiersprachen neue Kunstwerke nach dem Zufallsprinzip zu erschaffen.
Heute existieren viele Beispiele dafür, dass KI-Kunst in der Kunstwelt wie im Kunstrecht rasant an Bedeutung gewinnt und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf dem Kunstmarkt beachtlich sind. Denn KI-Kunst zirkuliert bereits als Handelsware auf dem Kunstmarkt, wird von großen Auktionshäusern versteigert und in bekannten Museen ausgestellt.
Der deutsche Künstler Mario Klingemann schuf mit seinem KI-Kunstwerk „Memories of Passerby I“ eines der ersten KI-Kunstwerke, die zum Verkauf auf dem Kunstmarkt angeboten wurden. Er sieht in der KI-Kunst eine wichtige Entwicklung des Kunstmarkes: „Die Kunst dieses Werks ist der Code und das System, nicht das Werk selbst - ein wichtiger historischer und konzeptioneller Meilenstein in der Geschichte des Kunstmarkts.“
Auch erzielte KI-Kunst in der Vergangenheit bereits hohe Gewinne bei Auktionen. Das KI-Portrait einer fiktiven Person „Porträt von Edmond Belamy“ vom französischen Künstlerkollektiv Obvious wurde im Jahr 2017 beim Auktionshaus Christie's für beinahe eine halbe Million Dollar versteigert.
Und im Jahr 2023 zeigte das weltbekannte Museum of Modern Art in New York (MoMa) das KI-Kunstwerk „Unsupervised“ von KI-Künstler Refik Anadol auf einer riesigen Leinwand. Anadol benutzt die Werke anderer Künstler für seine KI-Kunst: „Von Van Gogh über Picasso bis zu Kandinsky existieren in diesem Kunstwerk, in dieser KI-Traumwelt, unglaubliche, inspirierende Künstler, die verschiedene Techniken geprägt haben.“
Auch nutzen etablierte Künstler und Museen bereits KI-Systeme, um mithilfe von KI die Grenzen der Kunst zu verschieben und diese für die Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Beispielsweise nutzte der britische Künstler Damien Hirst die KI als Hilfsmittel, um die Serie „Spot Paintings“ zu kreieren und im Jahr 2022 führte das Louvre-Museum in Paris den virtuellen Assistenten ein, um Besuchern Informationen zu den Kunstwerken zu verschaffen. Solche Entwicklungen betreffen sowohl den Kunstmarkt, als auch das Kunstrecht.
Anhand dieser Beispiele ist es unschwer zu erkennen, dass KI den Kunstmarkt und das Kunstrecht weiter beeinflussen und neue Spielräume, Chancen und Herausforderungen aufwerfen wird. Eine Beobachtung dieser Entwicklung ist für alle Akteure des Kunstmarkts wie Galeristen, Sammler, Investoren und Kuratoren bedeutsam, damit sie rechtlich und wirtschaftlich vorausschauend handeln können.
Keine Regelungen im Kunstrecht
Es existieren keine konkreten und passgenauen juristischen Regelungen zum Einsatz von KI im Kunstrecht. Auf europäischer und internationaler Ebene finden sich zwar allgemeine Regelungen zur Anwendung von KI-Systemen, eine nationale Regelung fehlt noch; diese haben jedoch keine konkreten Bezüge zum Kunstrecht.
Im europäischen Recht wurde im Jahr 2024 erstmals eine KI-Verordnung zum Einsatz von KI (AI-Act) verabschiedet, welche jedoch keine klaren Regelungen im Kunstrecht beinhaltet. Der AI-Act stellt generell Verpflichtungen wie Transparenz- und Dokumentationspflichten für Anbieter und Nutzer von KI auf, um bessere Bedingungen für die Entwicklung und Nutzung der KI-Systeme zu schaffen.
Auf der Ebene des internationalen Rechts gibt es ebenfalls keine konkreten Regelungen im Kunstrecht, sondern bloße generelle Prinzipien und Empfehlungen zur Anwendung von KI.
Es ist offensichtlich, dass das im Kunstrecht somit neue Fragen aufkommen, die eine fundierte juristische Einordnung und Regelung erfordern. Wer auf dem Kunstmarkt agiert, sei es als Künstler, Sammler, Kurator, Investor oder Galerist, sollte mithilfe juristischer Expertise Strategien entwickeln, um auf kreative und vorausschauende Weise hiermit verantwortungsvoll umzugehen und Rechte von Künstlern zu schützen.
Insbesondere mit Blick auf die strategische Positionierung auf dem Kunstmarkt, sollten sich Akteure des Kunstmarkts an Personen mit Expertise im Kunstrecht und mit Branchenwissen wenden, die die Veränderungen des Kunstmarkts verfolgen und hierauf mit Feingefühl zu reagieren wissen.
Urheberrechtlicher Schutz
Im Kunstrecht sind insbesondere Fragen des Urheberrechts bedeutsam. Gemäß §11 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.
Einerseits ist es im Kunstrecht fraglich, ob KI-Kunst selbst urheberrechtlichen Schutz beanspruchen kann und andererseits inwiefern das Urheberrecht gegen die Verwendung von existierender Kunst für das Generieren neuer Kunstwerke schützt. Die Beantwortung dieser Fragen ist dann bedeutsam, wenn sich Künstler oder Rechtsinhaber gegen eine mögliche Verletzung ihres geistigen Eigentums wehren und ihre Kunstwerke und Kreativität schützen wollen. Auch gehen wirtschaftliche Überlegungen im Kunstmarkt mit der Klärung urheberrechtlicher Fragen einher.
Autoreneigenschaft der KI
Eine bedeutsame und wegweisende Entscheidung im Kunstrecht erging vor dem Bundesgericht in Washington D.C. im Jahr 2023. Das Gericht stellte fest, dass ein Kunstwerk, das gänzlich von einer KI geschaffen wurde, keinen urheberrechtlichen Schutz erhalten könne (Thaler v. Perlmutter, No. 22-CV-384-1564-BAH). Das Gericht versagte dem Kläger Stephen Thaler die urheberrechtliche Anerkennung für sein KI-Kunstwerk, welches vollständig von einer KI konzipiert und erschaffen wurde. Das Gericht entschied, dass ein Kunstwerk, welches ohne einen wesentlichen menschlichen Beitrag geschaffen wurde, nicht urheberrechtlich geschützt sei.
Im deutschen Kunstrecht ist bis dato keine vergleichbare Entscheidung ergangen, jedoch ist eine Tendenz anhand des deutschen Urheberrechts ersichtlich. Denn gemäß §2 Abs. 2 UrhG ist für das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes eine „persönlich geistige Schöpfung“ notwendig, welche die Persönlichkeit des Autors widerspiegelt, indem es dessen „freie kreative Entscheidung“ ausdrückt.
Somit ist im Kunstrecht ein Kunstwerk, welches wesentlich von einer KI erschaffen wurde, auch im deutschen Recht nicht urheberrechtlich schutzfähig. Zur Begründung wird unter anderem angeführt, dass der Autor keinen menschlichen Eingriff in die Arbeitsweise der KI vornehmen kann und das bloße Anweisen der KI, das „Prompting“, die Schöpfungshöhe des urheberrechtlichen Schutzes nicht erreicht.
Schutz von existierenden Kunstwerken
Eine weitere Frage betrifft die Verletzung der Urheberrechte von Künstlern und den Schutz deren kreativer Tätigkeit im Kunstrecht, wenn die KI die existierenden Kunstwerke als Quelle nutzt, um Kunst zu generieren. Möchte ein KI-Nutzer beispielsweise ein Kunstwerk „im Stil“ eines bekannten Künstlers generieren lassen, greift die KI auf Foto- oder Datenbanken mit Kunstwerken dieses Künstlers zu und verarbeitet diese. Hierbei kann ein Eingriff in das Recht des betreffenden Künstlers oder des Rechtsinhabers vorliegen.
Problematisch für das Kunstrecht ist insbesondere die fehlende Transparenz, denn KI-Systeme bieten bislang keine Informationen über den „Schaffensprozess“ und darüber, welche genutzten Kunstwerke urheberrechtlich geschützt sind und in welchem Maße und anhand welcher Kriterien die KI sie verarbeitet.
Künstler müssen mithilfe vom Kunstrecht ihr geistiges Eigentum gegen die Verarbeitung durch eine KI schützen und rechtlich die Möglichkeiten der Lizenzierung nutzen. Denn das Urheberrecht stellt ein exklusives Recht eines Künstlers an seinem Werk dar und sichert so die wirtschaftliche Verwertung und generiert Einnahmequellen für Künstler. Diese urheberrechtlichen Ansprüche gilt es durchzusetzen. Hierzu auch die Begründerin des Malstils „Offener Impressionismus“, Erin Hansen: „Der ursprüngliche Künstler muss auf irgendeine Weise honoriert werden. Dafür gibt es das Urheberrecht.“
Die Klärung des Urheberrechts und der Autorschaft sind im Kunstrecht auch für andere Akteure des Kunstmarktes wie Investoren und Sammler bedeutsam. Das bestehende Urheberrecht an einem Kunstwerk ist ein wertbildender Faktor, denn nur, wenn der Künstler auch als Urheber eines Kunstwerkes anerkannt ist, kann er Dritte von der Verwertung seines Werkes ausschließen. Anderenfalls kann jedermann eine Reproduktion von dem Kunstwerk vornehmen, welches den Handelswert deutlich verringert (vgl. §§16ff. UrhG).
Die offenen urheberrechtlichen Fragen im Kunstrecht sind somit für alle Akteure des Kunstmarktes bedeutsam. Rechtliche Expertise im Kunstrecht sollte mit Blick auf die fehlende Rechtsprechung eingeholt werden, insbesondere um Urheberrechte zu schützen und wirtschaftlich sinnvoll handeln zu können.
Resumé
Die Existenz und der Einsatz von KI eröffnen auf dem Kunstmarkt neue, unter anderem wirtschaftliche, Chancen und Herausforderungen und werfen zugleich neue juristische Fragen auf. Jegliche Akteure des Kunstmarkts sollten diese Entwicklung verfolgen und vorausschauend handeln, um ihre Urheberrechte zu schützen und Wertentwicklungen besser einordnen zu können.
„Die Rechte und kreativen Leistungen der Künstler müssen geschützt werden.“ So dtb-Rechtsanwalt und Experte für Kunstrecht Leon van Lee. „Akteure auf dem Kunstmarkt wie Künstler, Investoren, Sammler und Galeristen sollten die Entwicklung der künstlichen Intelligenz auf dem Kunstmarkt im Auge behalten. Im Zuge dieser Entwicklung können auch kreative und wirtschaftliche Möglichkeiten entstehen, um sich nachhaltig im sich wandelnden Kunstmarkt zu positionieren.“
Stand 16.04.2025