10.12.2025

EuGH-Entscheidung: Urheberrecht an USM Haller Designmöbeln

In seiner Entscheidung um das Urheberrecht von USM Haller Designmöbeln hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Schutzanforderungen von Designobjekten als Werke angewandter Kunst präzisiert.

Er entschied unter anderem, dass für alle Werkarten dieselben urheberrechtlichen Originalitätsanforderungen gelten und konkretisierte diese für Designobjekte. Auch stellte er die Voraussetzungen für eine Urheberrechtsverletzung bei Plagiaten von Designmöbeln klar (EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2025, C-580/23 und C-795/23).

Prozessverlauf

Der Bundesgerichtshof (BGH) und ein schwedisches Gericht hatten dem EuGH Fragen zur Auslegung der Art. 2 bis 4 der Urheberrichtlinie 2001/29/EG im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt (Art. 276 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union; AEUV). Die Fragen bezogen sich hauptsächlich auf die Konkretisierung des Kriteriums der Originalität von urheberrechtlich geschützten  Werken.

Das schweizerische Unternehmen SM U. Schärer Söhne AG (USM) und Hersteller des Möbelsystems USM Haller bietet sein Luxusmöbel- und Designsystem seit vielen Jahren an. Das deutsche Unternehmen Konektra GmbH begann ein ähnliches Möbelsystem, Ersatzteile und einen Montageservice sowie Montageanleitungen anzubieten.

Hiergegen klagte USM und machte eine Urheberrechtsverletzung des USM Haller Möbelsystems als Werk angewandter Kunst gemäß §2 Abs. 2 Nummer 4 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; UrhG geltend.

USM wehrte sich auf allen Instanzen mithilfe des urheberrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruches. Ergänzend machte USM lauterkeitsrechtliche Ansprüche geltend.

Das Landgericht Düsseldorf (LG Düsseldorf) gab dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch zunächst statt (Urteil vom 14. Juli 2020, Az. 14c O 57/19).

Dagegen verneinte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) diesen und sprach USM allein lauterkeitsrechtliche Ansprüche zu. Es handele sich bei dem USM-Haller System nicht um ein geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nummer 4, Abs. 2 UrhG, denn es fehle an der für die „eigene geistige Schöpfung" erforderliche Originalität (Urteil vom 2 Juli 2022, 20 U 259/20).

Gegen diese Entscheidung legten die Parteien Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein. Dieser legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des europäischen Urheberrechts vor.

Basierend auf der Entscheidung wird der I. Zivilsenat des BGH nun das Revisionsverfahren zu entschieden haben (Stand 10.12.2025).

Die schwedische Vorlagefrage zum Urheberrecht am Luxustisch Palais Royal

Ein schwedisches Gericht (Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen) legte dem EuGH zuvor eine Reihe von Fragen zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Designobjekten vor (Mio u.a, Az. C-580/23).

Die Schwedische Luxusmarke Galleri Mikael & Thomas Asplund Aktiebolag (Asplund) ging gegen das Unternehmen Mio vor, welches einen Tisch anbot, der Asplunds Designtisch Palais Royal ähnelte. Asplund machte eine Urheberrechtsverletzung geltend.

Es wurde mit dem deutschen Verfahren um das Urheberrecht am USM Haller Luxussystem zur gemeinsamen Entscheidung des EuGH verbunden.

Besonderheiten des USM Haller Möbelsystems als Designobjekt

Bei Gebrauchsobjekten, die wie das USM Haller Möbelsystem Designobjekten sind, spielt die herausragende Designqualität und Handwerkskunst der Objekte eine grundlegende Rolle. Nicht nur sind diese kulturell- und innenarchitektonisch bedeutsam, auch machen sie den zentralen Wertschöpfungscharakter des Objekts aus.

Bei USM Haller handelt es sich um ein weltbekanntes und ikonisches Möbelbausystem des Schweizer Familienunternehmens USM. Seine Ursprünge reichen ins Jahr 1885 zurück.

Das USM Haller System entstand aufgrund von architektonischen Überlegungen und besteht aus hochwertigen Chromrohren und präzise gefertigten Kugelverbindungen. Diese sind das Herzstück des Luxussystems. Jedes Modul kann individuell kombiniert und erweitert werden, sodass sich das System flexibel an jeden Raum und Nutzung anpassen lässt.

Bis heute wird fast jedes Teil der Produktion in Münsingen unter höchsten Qualitätsstandards angefertigt. Beispielsweise wird jedes Scharnier der USM Haller Möbelreihe bis zu 40.000 Mal geschlossen und geöffnet, um Lärm auszuschließen.

Diese einzigartige Kombination aus meisterhafter Handwerkskunst, zeitloser und nachhaltiger Eleganz sowie Funktionalität macht USM Haller zu einer Ikone des Designs. Das USM-Haller System wurde als solche gewürdigt, indem es in die ständige Architektur- und Designsammlung des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) aufgenommen wurde.

USM-Geschäftsführer Alex Schärer sagte hierzu: „Es ist ein Klassiker. Ich würde es mit anderen Produkten im MoMA vergleichen, etwa den Stühlen von Le Corbusier. Das Besondere an Klassikern ist, dass sie alle berühren und je weniger man also am Original verändert, desto besser bleibt es erhalten.“

Rechtlicher Hintergrund: Urheberrecht an Designobjekten wie USM Haller und Werke angewandter Kunst

Beim urheberrechtlichen Schutz von Designobjekten wie dem USM-Haller Möbelsystem treffen der Gebrauchszweck und die ästhetische und künstlerische Gestaltung der Objekte unmittelbar aufeinander.

Einerseits ist rechtlich zu verhindern, dass reine Alltagsformen durch das Urheberrecht monopolisiert werden. Andererseits sind Designobjekte wie das USM Haller System zu schützen und in ihrer ästhetischen und künstlerischen Gestaltung sowie der Verbindung mit Funktionalität anzuerkennen.

Das Urheberrecht ist teilweise unionsrechtlich harmonisiert. Maßgeblich sind die Urheberrichtlinie 2001/29/EG (InfoSoc-Richtlinie) und die konkretisierende Unionsrechtsprechung.

Die Rechtsprechung hat festgelegt, dass der Designgegenstand ein Original in dem Sinne sein muss, „dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.“ Hierfür muss das Designobjekt die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegeln, indem es dessen freie und kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (Urteil vom 12. September 2019, Cofemel, C‑683/17).

Während das Originalitätskriterium unionsweit besteht, bleibt die konkrete Einordnung eines Designobjekts als Werk weiterhin Aufgabe der Mitgliedstaaten. Dieses führte in der Vergangenheit zu Rechtsunsicherheiten für Designer, Hersteller und Händler von Designobjekten und Luxusmöbeln, die auf dem Binnenmarkt zirkulieren.

Im deutschen Urheberrecht gelten seit der Geburtstagszug Entscheidung des BGH für Designobjekte wie dem USM-Haller Luxussystem als Werk angewandter Kunst nach §2 Abs. 1 Nummer 4 UrhG zwischen allen Werkarten die gleichen Anforderungen (insbesondere bzgl der Gestaltungshöhe).

Ein Designobjekt ist urheberrechtlich geschützt, wenn eine individuelle, schöpferische Leistung vorliegt, welche wiederum Originalität voraussetzt. Diese muss eine freie, kreative Entscheidung enthalten und darf nicht ausschließlich durch Funktionalität getragen sein (Hierzu: BGH-Urteil zum Urheberrechtsschutz von Birkenstock Sandalen).

Wie beantwortete der EuGH konkret die Fragen um das Urheberrecht am USM Haller Designsystem?

Der EuGH konkretisiert mit seiner Entscheidung seine bisherige Rechtssprechung und gestaltet den Urheberrechtsschutz von Designobjekten einheitlicher.

Welche Vorgaben machte der EuGH zu den Anforderungen von Werken angewandter Kunst und anderen Werkarten?

Eine Vorlagefrage bezog sich auf die Originalitätsanforderung und dem Verhältnis zwischen dem Urheberrecht und dem Geschmacksmusterrecht. Konkret ging es um die Frage, ob ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht und „bei der Prüfung der Originalität von Gegenständen der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen wären als bei anderen Werkarten.“

Der EuGH entschied, dass Designobjekte grundsätzlich kumulativ geschmacksmuster- und urheberrechtlichen Schutz genießen können.

Beides seien eigenständige Schutzformen, die jedoch unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen und Schutzzwecke haben. Eine strengere Originalitätsprüfung für Werke angewandter Kunst würde die Einheitlichkeit des Urheberrechts verletzen.

Er antwortete, dass „zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen  urheberrechtlichen Schutz kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne besteht, dass bei der Prüfung der Originalität von Gegenständen der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen wären als bei anderen Werkarten.“

Welche Vorgaben machte der EuGH zu den Kriterien der Originalität bei Designobjekten wie USM Haller Möbeln?

Der EuGH beantwortete auch eine Frage zur Beurteilung des Kriteriums der Originalität von Gegenständen angewandter Kunst. Konkret wollten die vorlegenden Gerichte wissen, „ob die Originalität eines Gebrauchsgegenstands wie der Möbelstücke, für die im vorliegenden Fall Urheberrechtsschutz beansprucht wird, unter Berücksichtigung u. a. der Absichten des Urhebers während des Schaffensprozesses zu beurteilen ist.“

Hierbei bestätigte der EuGH die Originalitätskriterien der Cofemel-Rechtsprechung und stellte fest, dass „im Urheberrecht für den Nachweis der Originalität eines Werks das angerufene Gericht beurteilen muss, ob der Gegenstand, für den Schutz beansprucht wird, Ausdruck der freien und kreativen Entscheidungen ist, die die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegeln.“

Die subjektiven Absichten des Urhebers im Rahmen des Schaffensprozesses, seine Inspirationsquellen und die Verwendung des vorhandenen Formenschatzes, die Wahrscheinlichkeit einer unabhängigen ähnlichen Schöpfung oder die Anerkennung des Gegenstands in Fachkreisen seien nicht erforderlich oder entscheidend mit Blick auf die Beurteilung der Originalität.

Ein Werk sei im Urheberrecht ein „Gegenstand, der die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie und kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt.“ Das letztere Kriterium sei durch solche unfreie Umstände wie technische Zwänge abzuschließen und solche Umstände, die nicht Ausdruck der Persönlichkeit des Urhebers sind.

Welche Konkretisierungen machte der EuGH zur Urheberrechtsverletzung bei Designobjekten?

Die letzte Vorlagefrage bezog sich auf die Konkretisierung der Voraussetzungen einer Urheberrechtsverletzung bei Designobjekten wie bei den USM Haller Luxusmöbeln und dem Palais Royal Designtisch.

Der EuGH stellte fest, dass für die Feststellung einer Urheberrechtsverletzung einerseits der Gesamteindruck, der bei Gegenüberstellung der Objekte entstünde und andererseits die Gestaltungshöhe des Werkes irrelevant seien. Der urheberrechtliche Schutz dürfe nicht deshalb versagt werden, da ein ähnliches Werk unschwer geschöpft werden kann.

Für eine Urheberrechtsverletzung müsse vielmehr bestimmt werden, “ob kreative Elemente des geschützten Werks wiedererkennbar in den als verletzend beanstandeten Gegenstand übernommen worden sind“.

Résumé

Mit seiner Entscheidung stärkt der EuGH den Schutz von Designobjekten und Luxusprodukten wie dem USM Haller Möbelsystem und dem Palais Royal Tisch im europäischen Urheberrecht. Er macht deutlich, dass Werke der angewandten Kunst denselben Originalitätsanforderungen unterliegen wie andere Werkarten und konkretisiert diese. Hiermit verfolgt der EuGH eine ähnliche Rechtsprechungslinie, wie die des BGH in der Geburtstagszug Entscheidung.

"Mithilfe dieser Entscheidung des EuGH können nationale Gerichte die exzellente Handwerkskunst und die gestalterische Meisterleistung von Designobjekten besser urheberrechtlich würdigen. Zugleich schafft sie mehr Rechtssicherheit für Designer, Hersteller und Händler Binnenmarkt.“ So dtb-Gründungspartner und Experte für Kunstrecht und Luxusmarken Dr. Pascal Decker.

Stand 10.12.2025