Im Urteil vom 10. April 2025 entschied das Pariser Zivilgericht Le tribunal judiciaire de Paris im Streit um das Urheber- und Markenrecht an Hermès-Seidentüchern zugunsten der Luxusmarke Hermès (Az. 22/10720).
Im Vorfeld hatte das Unternehmen Atelier R&C unter dem Label Maison R&C Upcycling-Jeansjacken vertrieben, wobei Kunden eine Auswahl von Seidentüchern der Luxusmarke Hermès zur Verfügung stand. Die bestehenden Jeansjacken konnten durch die Einarbeitung von authentischen Seidentüchern der Luxusmarke Hermès personalisiert werden.
Prozessverlauf
Da die Luxusmarke der Verwendung ihrer Tücher nicht zugestimmt hatte, mahnte sie das Unternehmen am 21. August 2021 erfolglos ab und verlangte, den Vertrieb der Upcycling-Jacken unter Verwendung der Hermès-Seidentücher zu unterlassen.
Hermès erhob Klage vor dem Pariser Zivilgericht und beantragte unter anderem die Feststellung von Urheber- und Markenrechtsverletzungen sowie Unterlassung und Schadensersatz.
Die Tücher seien als individuelle geistige Schöpfungen mit künstlerischer Tiefe urheberrechtlich geschützt (Artikel L.111-1, L.112-1 Code de la propriété intellectuelle; CPI). Auch liege in der kommerziellen und unerlaubten Nutzung der Tücher mit dem Markennamen Hermès eine Verletzung von ihrem Markenrecht (Artikel L.713-2 CPI).
Hermès forderte unter anderem Ersatz für den Schaden, welcher durch die Verletzung vom Urheber- sowie Markenrecht entstanden sei und für den immateriellen Schaden, welcher durch eine Rufschädigung entstanden sei.
Das Gericht entschied zugunsten von der Luxusmarke Hermès. Insbesondere mit Blick auf die Verletzung des Urheber- und Markenrechts gab es der Klage im vollen Umfang statt und ordnete eine Unterlassungsverfügung sowie die öffentliche Bekanntmachung des Urteils an.
Hermès-Seidentücher als Luxusprodukte
Bei den Seidentüchern der Luxusmarke Hermès handelt es sich um ikonische und teils in Handarbeit angefertigte Luxusprodukte. Sie sind für die herausragende Qualität ihrer Seide, die aufwändige Roullotage-Verarbeitung des Saumes, die quadratische Form (Carré) und für ihre besonderen Motive weltbekannt.
Viele der kunstvollen Motive haben Bezug zu Themen wie Reiten, Kutschen, Schiffen oder Geschichte und Kultur. Diese gehen auf den Ursprung der Luxusmarke Hermès zurück, welche 1837 in einer Pariser Sattlerwerkstatt von Thierry Hermès ihren Anfang fand.
In den 1930er-Jahren entstand das erste Seidentuch mit dem Namen „Jeu des omnibus et dames blanches“, welches eine elegante Gruppe von Damen zeigt, die von bunten Kreisen und Kutschen umringt sind. Guillaume de Seynes, Managing Director von Hermès, kommentierte: „Das Design stammt von meinem Großvater, Robert Dumas. Er war sehr kreativ und künstlerisch veranlagt“.
Auf einem Tuch können bis zu 48 Farben verarbeitet sein. Diese stammen aus der hauseigenen Bibliothek der Luxusmarke Hermès, welche über 75.000 unterschiedliche Farbtöne zur Auswahl hat.
Die Designs der bislang 2000 Motive sind Kollaborationen mit unterschiedlichen Künstlern, wobei diese die Nutzungsrechte an Hermès übertragen. Das wohl ikonischste Design „Brides de Gala“ entstand beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Hugo Grygkar. Andere weltweit bekannte Carré-Seidentücher sind „Brazil“, „Astrologie“, „Voitures à transformation“ und „Peuple du vent“.
„Bei Hermès arbeitet man immer nahe an der Perfektion“, erklärt Henri d’Origny, erfahrenster und berühmtester Hermès-Tuchmacher. Denn die Produktion kann vom Design bis zum fertigen Tuch ganze zwei Jahre in Anspruch nehmen.
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden die Tücher zu Kassenschlagern und erfreuten sich großer Beliebtheit auch unter berühmten Persönlichkeiten wie Grace Kelly, Audrey Hepburn und später Jane Birkin.
Noch heute sind die Tücher ein wesentlicher Bestandteil des Hermès-Sortiments und absolute Statussymbole. Mit ihrer zeitlosen Eleganz und herausragenden Qualität begeistern sie weltweit Kunden von Luxusmarken.
Wie schützt das Urheberrecht Luxusprodukte wie die Hermès-Tücher?
Dem Urheberrecht als Immaterialgüterrecht kommt unter anderem die Aufgabe zu, das geistige Eigentum an ikonischen Motiven, wie solchen der Hermès-Tücher, zu schützen.
Soweit eine „persönliche geistige Schöpfung“ vorliegt, entsteht das Urheberrecht im deutschen Recht als gewerbliches Schutzrecht ohne Eintragung in ein Register (vgl. §§1, 2 Abs. 2 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz); UrhG).
Das Urheberrecht gewährt dem Schöpfer exklusive Verwertungsrechte an seinem Werk (§§11ff; §64 I UrhG). Mit anderen Worten ist es Dritten grundsätzlich untersagt, das Werk des Urhebers ohne dessen Zustimmung zu verwerten.
Die nationalen Regelungen werden weitgehend durch eine Mindestharmonisierung in der Europäischen Union (EU) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeglichen.
Wie schützt das Markenrecht Luxusprodukte wie die Hermès-Tücher?
Das Markenrecht verfolgt den Zweck, den Wiedererkennungswert und einzigartigen und unverwechselbaren qualitativen Standard beispielsweise von Luxusmarken wie Hermès auf dem Markt zu statuieren und zu pflegen.
Als gewerbliches Schutzrecht des geistigen Eigentums schützt das Markenrecht Bezeichnungen für Waren oder Dienstleistungen im gewerblichen Verkehr (vgl. §3 Abs. 1 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen; MarkenG).
Das Markenrecht schützt ein Zeichen, indem es nur dem eingetragenen Markeninhaber das Recht gewährt, dieses oder ein ähnliches zu verwenden (§§14ff., 4 MarkenG; vgl Artikel L.713-2 CPI). Dieses führt dazu, dass Konsumenten von Luxusmarken vor einer Verwechslung mit ähnlichen Produkten geschützt werden.
Mithilfe seiner Herkunftsfunktion stellt das Markenrecht sicher, dass Käufer von Luxusmarken die Produkte der entsprechenden Marke zuordnen können und den qualitativen Standard genießen können.
Neben den nationalen Regelungen ist das Markenrecht in der EU fast vollständig harmonisiert.
Worum ging es im Marken- und Urheberrechtsstreit um die Hermès-Tücher konkret?
Zunächst befasste sich das Gericht mit einer möglichen Urheberrechtsverletzung. Es war die Frage zu klären, ob die Tücher urheberrechtlich geschützt sind.
Die Gegenseite argumentierte, dass Hermès keinen Nachweis geführt habe, dass es sich bei den Motiven der betroffenen Tücher um originelle Werke handele. Es müsse konkret bewiesen werden, dass die einzelnen Tücher mit ihren Motiven „individuelle geistige Schöpfungen mit künstlerischer Ausdruckskraft“ seien (Art. L.111-1 CPI; vgl. §§ 2 Abs. 2, 7 UrhG).
Weiter vertrat die Gegenseite die Auffassung, dass, sofern überhaupt ein urheberrechtlicher Schutz bestünde, dieser durch Erschöpfung erloschen sei. Da es sich um in den Verkehr gebrachte, echte Tücher handele, sei der Erschöpfungsgrundsatz bei der Einarbeitung in die Jacken anwendbar.
Hierbei handelt es sich um eine Einschränkung des Urheberrechts zugunsten des freien Warenverkehrs. Sie gestattet die Weiterverbreitung von rechtmäßig erworbenen Produkten, die durch den Urheberrechtsinhaber in den Warenverkehr der EU gebracht wurden (vgl. §17 Abs. 2 UrhG).
Auch berief sich die Gegenseite auf den Umweltschutz gemäß Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; GRCh und führte an, die Upcycling-Jacken wären „ökoverantwortlich“. Denn sie würden einen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Sinne des Gemeinwohls leisten und begründeten daher keine Urheberrechtsverletzung. Sie unterlägen auch dem Schutz der künstlerischen Gestaltung (Art. 11 GRCh).
Unstreitig war im Rahmen der Verletzung des Markenrechts, dass die Luxusmarke Inhaberin der seit 1936 eingetragenen französischen Wortmarke Hermès (Nr. 1.558.350) ist.
Fraglich war jedoch, ob in der Verwendung des Logos und des Namens Hermès auf den Upcycling-Jacken eine Verletzung des Markenrechts durch die unbefugte kommerzielle Nutzung liege (Artikel L.713-2 CPI, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 MarkenG).
Der Beklagte ging davon aus, dass keine Verwechslungsgefahr vorläge. Die Kunden könnten erkennen, dass es sich nicht um Originalprodukte der Luxusmarke Hermès handele und so keine Ausnutzung der Bekanntheit der Luxusmarke vorliege. Die Nutzung hätte rein beschreibenden Charakter.
Wie entschied das Gericht im Marken- und Urheberrechtsstreit um die Hermès-Tücher?
Das Gericht prüfte zunächst vollumfänglich, ob die in Rede stehenden Motive der Seidentücher urheberrechtlichen Schutz genießen.
Mit Blick auf das Design „Gaucho“ erläuterte das Gericht: „Die Kombination der Anordnung und Verflechtung der verschiedenen Elemente zeugt von freien, ästhetischen Entscheidungen, die dem Werk eine besondere Erscheinung verleihen und die persönliche Handschrift seines Schöpfers tragen.“
So stellte es auch mit Blick auf die anderen Tücher fest, dass es sich um „originelle schöpferische Leistungen“ gemäß Artikel L.111‑1, L.112‑1 CPI handelt. Hierbei könne eine persönliche Prägung des Urhebers (empreinte de la personnalité) festgestellt und bewiesen werden.
Bezüglich einer möglichen Erschöpfung erläuterte das Gericht, dass bereits kein Beweis für den rechtmäßigen Erwerb der Tücher vorläge.
Unabhängig davon sei bereits durch die Einarbeitung der Tücher in die Upcycling-Jacken ein neues kommerzielles Produkt entstanden, welches die Erschöpfung ausschließt (vgl. EuGH, C–419/13).
Denn die Tücher seien so verändert worden, dass ein urheberrechtlich relevanter kommerzieller „Mediumwechsel“ vorliege. Dieses geht über einen bloßen Weiterverkauf, der unter die Erschöpfung fallen könne, hinaus.
Den Einwand der künstlerischen Gestaltung lehnte das Gericht mit der Begründung ab, die Gegenseite habe keine schlüssige Argumentation geliefert, „worin der künstlerische Charakter dieser Produkte - jenseits der Hermès-Tücher - bestehen soll“.
Das Gericht stellte bezüglich des Umweltschutzes fest, dass es weder eine gesetzliche noch eine unionsrechtliche Vorschrift gebe, „die das Upcycling per se als Rechtfertigung für die Verletzung geistiger Eigentumsrechte anerkennt“.
Die Tücher hätten ihren eigenen Marktwert als Secondhand-Produkte und es gäbe „keinen Beweis dafür, dass die Tücher so beschädigt gewesen wären, dass sie nicht mehr als Ganzes verkauft werden konnten. Die Umwandlung in Jacken war also nicht erforderlich“.
Bezüglich der Verletzung des Markenrechts entschied das Gericht, dass die Einarbeitung der Tücher mit dem Markennamen Hermès in die Upcycling-Jacken eine unerlaubte markenmäßige Verwendung darstelle: „Die Beklagten geben selbst zu, dass sie die Marke nutzen, um die Herkunft der verwendeten Tücher zu kennzeichnen. Das ist eine Nutzung als Marke, nicht rein beschreibend“.
Auch läge keine Erschöpfung im Markenrecht vor, da eine kommerzielle Umgestaltung und kein bloßer Weiterverkauf stattfand (Artikel L.713-4 CPI, vgl. §24 MarkenG).
Résumé
Mit seinem Urteil stärkt das Pariser Zivilgericht den Schutz ikonischer Luxusprodukte bei kommerzieller Weiterverwertung. Es stellt klar, dass das Urheber- und Markenrecht auch im Kontext nachhaltiger Upcycling-Projekte uneingeschränkt gelten muss.
Insbesondere dann, wenn Produkte, die ihren eigenen Marktwert haben, ohne Zustimmung der Rechteinhaber verarbeitet werden. Im vorliegenden Fall der Luxusmarke Hermès wird die einzigartige Qualität und die Handwerkskunst, die die Roullotage-Verarbeitung des Saumes ausmacht, enorm abgewertet.
„Das Urteil unterstreicht, dass das Urheber- und Markenrecht auch im Kontext von Weiterverwertungen und Bearbeitungen von Luxusprodukten wirksam bleiben und geschützt werden muss.“ So dtb-Rechtsanwalt und Experte für Kunstrecht, Markenrecht und Luxusmarken Leon van Lee.
Stand 31.07.2025