Für den Kunsthandel in Europa stellen die Mehrwertsteuersenkungen auf Kunstgegenstände im Jahr 2025 neue Wachstumsdynamiken her, die den Kunstmarkt aufblühen lassen und von denen seine Akteure profitieren.
Zuletzt boomte Italiens Kunstmarkt nach einer Mehrwertsteuersenkung auf 5%. In Deutschland steht eine Einbeziehung von Fotokunst noch aus, da sie zurzeit nicht als mehrwertsteuerbegünstigter Kunstgegenstand gilt.
Italiens Kunstmarkt: Neuer Mehrwertsteuersatz auf Kunst iHv 5%
Am 1. Juli 2025 wurde die Mehrwertsteuer in Italien auf alle Verkäufe und Importe von Kunstwerken, Antiquitäten und Sammlungsstücken auf 5% gesenkt.
Italiens Kulturminister Alessandro Giuli erklärte hierzu: „Endlich sinkt die Mehrwertsteuer auf Kunstwerke von 22% auf 5%. Dies ist ein historisches Ergebnis, das auch dank der Stärke der Politik und des Parlaments erreicht wurde, die diesen Prozess angestoßen und mitgestaltet haben.”
Mit der Herabsetzung der Mehrtwersteuer auf Kunst setzte Italien die zum 1. Januar 2025 umzusetzende EU-Richtlinie 2022/542 zur Vereinheitlichung des Steuersystems um. Dies geschah erst nach langanhaltenden Protesten und politischem Ringen und nachdem im Februar 2025 auf der Kunstmesse Arte Fiera in Bologna Galeristen protestierten und zahlreiche Künstler eine Petition unterschrieben.
Ein Bericht des Wirtschaftsforschungsunternehmens Nomisma identifizierte die hohe Mehrwertsteuer als eines der wichtigsten Themen des italienischen Kunsthandels. Sie stelle eine der größten Belastungen für das Wachstum des Kunstmarktes in Italien dar.
Der hohe Mehrwertsteuersatz hatte laut Nomisma konkret zur Folge, dass Kunstsammler in Italien bis zu 18% mehr für denselben Nettopreis zahlen mussten als in anderen europäischen Ländern. Damit wurde der Kunstkauf in Italien unattraktiver, Sammler kauften in anderen Unionsländern und die Gewinne von italienischen Kunstgalerien fielen.
Franco Broccardi von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Studio Lombard DCA kommentierte: „Die Steuersenkung ermöglicht es den Akteuren, angefangen bei den Künstlern selbst, auf Augenhöhe zu agieren. Wir sind jetzt wettbewerbsfähiger, auch wenn die Reform spät kommt.“
Folgen der Mehrwertsteuersenkung für den italienischen Kunsthandel
Federico Mollicone, Vorsitzender des Kulturausschusses der italienischen Abgeordnetenkammer, schätzt, dass die Senkung der Mehrwertsteuer in den nächsten drei Jahren zu einer Umsatzsteigerung von 1.5 Milliarden Euro für Galerien, Antiquariate und Auktionshäuser führen wird. Es würde ein höheres steuerpflichtiges Einkommen generiert, welches den Einnahmeverlust durch die verringerte Steuer ausgleichen werde.
Auch andere Standbeine des Kunsthandels in Europa wie die italienischen Kunstmessen Arte Fiera in Bologna, Artissima in Turin und Miart in Mailand sollen hiervon enorm profitieren und ihre Umsätze steigern. Auch könnte die Neuregelung dazu beitragen, Italien zum zentralen Eingangstor für internationale Kunstimporte zu machen und ausländische Kunstkäufe anzuziehen.
Die Landschaft der Kunstgalerien in Italien hat bereits einen starken Aufschwung erfahren. So haben die Kunstgalerien Tim Van Laere, Gregor Staiger, Ciaccia Levi, Thomas Dane, Gisela Capitain, Wentrup und M+B bereits neue Standorte in den italienischen Großstädten eröffnet.
Galerist Thaddaeus Ropac, der im September 2025 eine siebte Dependance der weltbekannten Thaddaeus Ropac Galerie in Mailand eröffnete, nennt die Ermäßigung einen „enormen Schub für italienische Galerien auf internationalem Parkett“.
So wird Italien durch die Neuregelung der Mehrwertsteuer auf Kunst zu einem noch wichtigeren Knotenpunkt des Kunsthandels in Europa. Der gesamte Kunstsektor in Italien soll um 28% wachsen. Italien ist nun auf der europäischen und internationalen Ebene höchst wettbewerbsfähig.
Die Mehrwertsteuererhöhung in 2014: Auswirkungen auf den Kunsthandel
Der europäische Kunsthandel profitiert vom freien Warenverkehr des europäischen Binnenmarkts und davon, dass Kunstgegenstände ohne Abgaben zirkulieren können. Regelungen über die Besteuerung von Kunstwerken sorgen für eine indirekte, harmonisierte Kulturförderung und für einen fairen Wettbewerb in der EU.
Hintergrund der Mehrwertsteuererhöhung in 2014 war eine neue Mehrwertsteuerrichtlinie für gewerbliche Handelsgeschäfte. Diese betraf auch den gewerblichen Kunsthandel und gab einen Regelsteuersatz auf Kunstgegenstände grundsätzlich nicht unter 13% vor.
Die Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände wurde in Deutschland von 7% auf rund 19% angehoben. Der deutsche Kunsthandel hatte zuvor mit einer Mehrwertsteuer von 7% auf alle Kunstgegenstände operiert.
Andere Mitgliedstaaten wie Österreich (13%), Frankreich (5.5%) und Großbritannien (bereits vor dem Brexit waren es 5%) fanden kreative Auswege und behielten einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz bei. Beispielsweise gaben sich die Kunstgalerien der Benelux-Länder als Agenturen aus und verkauften weiter steuerbegünstigt.
Welche Folgen hatte die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland?
Die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland führte dazu, dass Galerien umgangen wurden, ihnen Erlöse verloren gingen und der Kunstkauf im Inland stagnierte. Denn der ermäßigte Steuersatz von 7% galt bloß für unmittelbare Kunstkäufe bei Künstlern.
Der Kunsthandel, besonders Künstler, ist jedoch auf Galerien und deren Infra- und Vermittlungsstruktur angewiesen. Sie errichten entscheidende Netzwerke und leisten Expertise und Investitionen für Künstler.
In der Tat stagnierte das Wachstum des deutschen Kunstmarktes. Weniger Galerien und Kulturbetriebe wurden gegründet und zahlreiche kleine und mittelständische Kunstgalerien mussten schließen. Auch führte die hohe Mehrwertsteuer dazu, dass deutsche Sammler und Akteure des Kunstmarktes nun im EU-Ausland oder in anderen europäischen Ländern Kunstgegenstände kauften.
Der deutsche Kunsthandel konnte nicht mit dem europäischen und internationalen Kunsthandel konkurrieren. Den Kunstmarkt führten nach einem UBS Art Market Report des Jahres 2023 die USA, Großbritannien und China an, wobei der Mehrwertsteuersatz für Kunstgegenstände in New York als Kunst-Hub der USA bei 8.85 % lag.
Die Mehrwertsteuerermäßigung war ein nötiger Schritt der Wettbewerbsstärkung für den gesamten Kunsthandel der Union gegenüber internationalen Auktionshäusern und Drittstaaten.
Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, der Deutsche Künstlerbund und der Deutsche Kulturrat solidarisierten sich mit dem Vorhaben, wobei der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) die entscheidende Rolle dabei spielte die Ermäßigung umzusetzen. Mit der jahrelangen Kampagne „7 statt 19 Prozent“ lenkte er Aufmerksamkeit auf das Thema und wurde politisch tätig.
Der BVDG legte einen Bericht zur Kulturwirtschaft in 2023 vor, nach dem der Umsatz des Kunsteinzelhandels im Jahr 2021 bei überschaubaren 767 Millionen Euro lag. Hieraus schloss der BVDG, dass die zu erwartenden Mindereinnahmen des Staatshaushaltes bei der Ermäßigung der Mehrwertsteuer nicht „allzu schmerzhaft“ wären.
Auch könnten neue Dynamiken des deutschen Kunsthandels erschaffen werden, die ein deutlich gestiegenes Handelsvolumen für den Kunstsektor beinhalten.
Deutschlands Kunstmarkt: Ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Kunst iHv 7%
Die Arbeit des BVDG trug zum 1. Januar 2025 Früchte. Durch die Umsetzung der Richtlinie 2022/542 wurde für die Lieferung und den Erwerb von Kunstwerken, Sammlungsstücken und Antiquitäten eine Mehrwertsteuer von 7% eingeführt.
Dies geschah mit der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes am 22. November 2024, das unter anderem versprach, freie Kulturorte wie Galerien zu unterstützen.
Konkret gilt die Ermäßigung der Mehrwertsteuer gemäß §12 Abs. 2 für „Kunstgegenstände, und zwar Gemälde und Zeichnungen, vollständig mit der Hand geschaffen, sowie Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke, Originalstiche, -schnitte und -steindrucke, Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art“. Und hierfür muss der Kunstgegenstand von einem Künstler kreiert und entworfen worden sein und künstlerhändisch, somit durch eine Kunstgalerie, eine Kunsthandlung oder ein Auktionshaus oder vom Künstler selber, angeboten werden.
Damalige Kulturstaatsministerin Claudia Roth nannte den ermäßigten Steuersatz als indirekte Kulturförderung eine „sehr gute Nachricht für den deutschen Kunsthandel“. Sie erklärte: „Damit entlastet die Bundesregierung unsere vielfältige Galerieszene und verbessert ihre Wettbewerbsfähigkeit. Durch weniger Steuern werden unsere Galerien noch attraktiver für Sammlerinnen und Sammler und vor allem für zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die dank der veränderten Regelung in Zukunft mehr Einkünfte erzielen können.“
Diese Ermäßigung ist für den deutschen Kunsthandel und seine Akteure ein längst überfälliger und bedeutsamer Schritt. Sie bedeutet, dass Akteure des Kunstmarktes nicht mehr darauf angewiesen sind, in anderen europäischen Ländern Kunstkäufe zu tätigen und nun wieder Kunst in und aus ihrem Heimatland kaufen und so diese Künstler unterstützen können. Auch werden so wieder Perspektiven für deutsche Künstler geschaffen, welche durch Kunstkäufe aus aller Welt gefördert und entdeckt werden.
Keine Mehrwertsteuermäßigung für Kunstfotografie
Die Ermäßigung bezieht sich jedoch nicht auf künstlerische Fotografie, wobei der Mehrwertsteuersatz auf diese weiterhin bei ganzen 19% liegt. Denn Kunstfotografie wird in Deutschland im steuerrechtlichen Sinn nicht als Kunstgegenstand anerkannt.
Es fallen Kunstwerke wie Fotografien, Serigrafien, Offsets, Videos und Lichtkunstwerke ungeachtet ihrer künstlerischen Qualität, die mit „Belichtungstechniken hergestellt wurden“, hierunter.
In der EU-Steuerrichtlinie heißt es jedoch, dass „Fotografien, die vom Künstler selbst aufgenommen und entweder von ihm oder unter seiner Aufsicht abgezogen, signiert und nummeriert sind, als Kunstgegenstände gelten, sofern die Auflage höchstens 30 Exemplare umfasst“.
Hiermit bleibt Deutschland mit Blick auf die Kunstfotografie nicht nur hinter anderen europäischen Ländern wie Italien, Frankreich und Belgien zurück, welche Fotografie als ermäßigte Kunst behandeln. Auch bleibt Deutschland so bei einem, bereits vor 2014 geltenden, Kunstbegriff, welcher die Fotografie bedauerlicherweise nicht einschließt und so die künstlerische Würdigung dieses Mediums und der Künstler selbst vermissen lässt.
Kristian Jarmuschek vom BVDG kommentiert hierzu: „Nur durch ein modernes und flexibles Steuersystem kann die Kunst in all ihren Formen gefördert und gewürdigt werden. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber jetzt die Chance ergreift und die künstlerische Fotografie und andere moderne Kunstformen in die Liste der steuerlich begünstigten Kunstgegenstände aufnimmt.“
Viele Stimmen des Kunsthandels fordern somit die Ausweitung der Ermäßigung auf Kunstfotografie. Denn andernfalls entstehe eine Ungleichbehandlung, die zu einer Wettbewerbsverzerrung für den Kunsthandel führe. „Ziel muss die Anerkennung von Fotografie als Kunst sein.“ So auch Claudia Roth.
Résumé
Mithilfe der Mehrwertsteuerermäßigungen auf Kunstgegenstände hat die EU überfällige Regelungen zur indirekten Kulturförderung wiedereingeführt. Die Mitgliedstaaten können mithilfe der angeglichenen Bedingungen auf dem europäischen Kunsthandel ihre Künstler, Galerien, Händler, Auktionshäuser, Sammler und Käufer unterstützen.
„Durch die Einführung von Mehrwertsteuerbegünstigungen für alle Kunstgegenstände entwickelt sich Italien zu einem zentralen und aufblühenden Standort für den internationalen und europäischen Kunsthandel.“ So dtb-Rechtsanwalt und Experte für Kunstrecht Leon van Lee. „In Deutschland ist es hauptsächlich der Arbeit des BVDG zu verdanken, dass der inländische Kunsthandel wieder aufatmen kann. Maßgeblich ist nun, dass eine Steuerermäßigung auch für Fotokunst anerkannt wird und so diesem Medium und den Künstlern angemessene Wertschätzung zukommt.“
Stand 24.10.2025