03.08.2022

2. dtb -Kolumne bei Kulturmanagement Network

Ist der Werknachlass nicht geregelt, so kann das Vermächtnis von Künstler:innen auseinandergerissen und seiner Wirkung beraubt werden. Ein frühzeitig geplantes Nachlassmanagement ist die beste Vorsorge für eine adäquate Werkbetreuung und für die Vermeidung von rechtlichen Konflikten. Im Idealfall arbeiten die Erb:innen oder Verwalter:innen mit Kulturmanager:innen, Museen und Stiftungen zusammen.

Der Künstlernachlass als Büchse der Pandora

Aus unserer Anwaltspraxis kennen wir viele Konflikte im Umgang mit Nachlässen von Künstler:innen. Dabei treten verschiedene Streitpunkte auf, die in der Regel jedoch alle Variationen eines gemeinsamen Themas darstellen: das Fehlen einer frühzeitigen Nachlassplanung.

Ein Grundmodell sieht wie folgt aus: Der letzte Wille oder das Testament des:der Künstler:in – falls überhaupt eines existiert – begehrt die Verbreitung des Werkes für die Nachwelt. Dieser vage Ausgangspunkt kann anschließend je nach Eigeninteresse von den beteiligten Parteien unterschiedlich ausgelegt werden: So möchte der Ehepartner etwa den Ruhm der verstorbenen Künstlerin bewahren und die Werke möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Ein Nachkomme möchte hingegen die Kunstwerke zu Geld machen und diese daher aufgeteilt möglichst schnell auf den Markt bringen. Der andere Nachkomme möchte wiederum den gesamten Nachlass als Einheit bewahren, ist dafür aber kunsthistorisch nicht ausgebildet und unterschätzt den Verwaltungsaufwand. Von außen bieten sich verschiedene Museen für Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit an und erhoffen sich im Gegenzug eine Schenkung der Werke – sollte man hier also lieber die Kontrolle aus der Hand geben? Parallel schlagen eine Stiftung sowie ein:e Kulturmanager:in vor, die Verwaltung und Vermarktung zu übernehmen, und auch die Galerie der Künstlerin erhebt ihre Stimme, da sie an Folgeverkäufen teilhaben möchte.

Das Ergebnis ist ein komplexes Geflecht von Interessen, die sich teils diametral gegenüberstehen. Welche Partei(en) ist bzw. sind am geeignetsten, den Künstlernachlass zu verwalten? Oftmals stehen die Erben zunächst allein da und müssen sich etwaigen Streitpunkte stellen.

Anleitung: Wie funktioniert gutes Nachlassmanagement?

Um also mit einem frühzeitig geplanten Nachlassmanagement für eine adäquate Werkbetreuung zu sorgen und rechtliche Konflikte zu vermeiden, gilt es folgende Fragen zu klären:

Was soll zum Nachlass gehören?

Zuerst muss entschieden werden, welche Teile des Nachlasses bewahrt werden sollen – beispielsweise nur abgeschlossene Arbeiten oder auch Vorstudien, Skizzen, Korrespondenzen, Ausstellungsmaterial. Gibt es einen zentralen Kern an Arbeiten? Soll das gesamte Schaffen als Einheit bestehen bleiben oder möchte man einzelne Werke auf den freien Markt bringen? Künstler:innen oder ihre Nachlassverwalter:innen sollten diese Fragen frühzeitig klären und bestenfalls die Nachlassbetreuung mittels eines beglaubigten Testament regeln. Denn der jeweilige Wille der Künstler:innen lässt sich im Nachhinein nur schwer rekonstruieren.

Wer wird das Werk verwalten?
Anschließend ist zu klären, durch wen das Werk zukünftig verwaltet wird. Für gewöhnlich besteht die Wahl zwischen der Familie auf der einen Seite oder einer dritten Organisation auf der anderen Seite. Hierzu können etwa Stiftungen, Vereine, Archive, Museen oder Galerien zählen. Ein zentrales Auswahlkriterium ist die Frage, wie wichtig der persönliche Bezug der Familie ist: Verfügen die Angehörigen über ausreichend Zeit, Fachwissen, Verantwortungsgefühl und emotionale Distanz, um das Werk bestmöglich zu vertreten? Demgegenüber steht die Erfahrung von Kunstinstitutionen, die mit der professionellen Pflege und Vermarktung von Künstlernachlässen bereits vertraut sind. Während Angehörige durch ihre persönliche Nähe als Aushängeschild für einen Künstlernachlass dienen, verfügen Institutionen oft über bessere Infrastrukturen und Ressourcen.

Wie und mit welchen Mitteln wird das Werk verwaltet?
An die Frage nach den optimalen Verwalter:innen ist eine weitere Überlegung geknüpft: Wie soll das Werk zukünftig betreut werden und welche Mittel werden hierfür benötigt? Klassische Beispiele sind die Ausstellung eines Nachlasses im Atelier oder Wohnhaus der Künstler:innen, in einem neu zu errichtenden Privatmuseum, oder in öffentlichen Gebäuden und Museen. In jedem Fall müssen die finanziellen und räumlichen Voraussetzungen für die Lagerung, Versicherung und Ausstellung der Werke bedacht werden. Weitere Kosten können außerdem für Transport, fotografische Dokumentation, Archivierung sowie für Öffentlichkeitsarbeit und Wertgutachten anfallen. Häufig werden für diese Aufgaben externe Dienstleister beauftragt oder Hilfskräfte angestellt.

Kooperationen und gemeinschaftliche Lösungen
Der finanzielle Aufwand der Werkbetreuung kann insbesondere für die Nachkommen schnell zum Hindernis werden. Dies wird gerade dann akut, wenn die jeweiligen Künstler:innen ihnen Werke, die einen hohen Marktwert haben, verschenken oder vererben möchte. Wie bei der Vererbung von Immobilien in Großstädten, in denen ein schneller Marktanstieg stattgefunden hat, können derart hohe Steuern fällig werden, dass die Nachkommen diese mitunter überhaupt nicht aufbringen können.

Eine Lösung dieser Zwickmühle stellt die Gründung einer Stiftung oder eines gemeinnützigen Vereins dar. Beide juristischen Modelle sind nicht auf Gewinn ausgelegt und ermöglichen es, Schenkungen an sie durchzuführen, ohne dafür einen hohen finanziellen Aufwand leisten zu müssen. Gleichzeitig bieten sie inhaltlich einen großen Spielraum, mithilfe dessen das Werk des:der Künstler:in in der Öffentlichkeit vermittelt werden kann.

Stiftungen und Vereine verfügen in jedem Fall über einen Vorstand, wahlweise auch über einen Aufsichtsrat oder ein Kuratorium. Diese Organe können sowohl mit den Familienangehörigen, Akteur:innen aus öffentlichen Kulturorganisationen sowie dem Kunstmarkt besetzt werden, und vereinen so die Kräfte der verschiedenen Bereiche. Dieser Mittelweg erlaubt in vielen Fällen eine optimale Vertretung der Künstlernachlässe.

Eine weitere Option für die Betreuung stellen öffentliche Museen und Archive dar. Sie sind besonders geeignet, wenn für den:die Künstler:in bereits ein hohes öffentliches Interesse besteht, da dann die Bereitschaft der öffentlichen Hand zur (Mit-)Finanzierung am größten ist. Steht der langfristige Marktwert des:der Künstler:in im Vordergrund, sind Kunstgalerien durch ihre oft internationalen Kundennetzwerke wiederum geeignete Partner. Im Gegensatz zu den öffentlichen Einrichtungen kann hierbei jedoch weniger Wert darauf gelegt werden, den Korpus an Werken beisammenzuhalten.

Ein relevantes Oeuvre basiert auf der strategischen Planung des Nachlasses

Bei allen Streitigkeiten, die auftreten, darf eines nicht vergessen werden: Ein hinterlassenes Oeuvre ist immer ein Schatz. Oft kann er nur mit vereinten Kräften geborgen werden. Damit dies gelingt, ist in vielen Fällen eine externe Beratung notwendig, die alle Parteien an einen Tisch holt und zwischen den Interessen vermittelt. Die Konflikte um Nachlässe bilden ein Muster, das sich wiederholt. Eine frühzeitige Beratung erhöht die Möglichkeit einvernehmlicher Lösungen.

Nach unserer Erfahrung gilt es, einen Nachlass strategisch zu planen. Ob mithilfe einer Stiftung, eines Vereins, eines Künstlerarchivs als gemeinnützige GmbH oder in Gestalt einer Public Private Partnership – es gibt zahlreiche Modelle für die Nachlassplanung, die gewählt und ausgeschöpft werden können. Ein unabhängiger Dritter kann die Erb:innen und Beteiligten durch den Prozess begleiten sowie die Aufstellung von Vorständen und weiteren Organen steuern, ohne das übergreifende Interesse aller Parteien aus den Augen zu verlieren.