Trägerschaft von öffentlichen Kulturorganisationen
Regelmäßig entstehen Skandale um die Gremien öffentlicher Kulturorganisationen. Am häufigsten geht es um (mangelnde) Übernahme von Verantwortung, verworrene Entscheidungsfindung, gegenseitige Kontrolle der Organe oder den Umgang mit der öffentlichen Hand. Verantwortliche sowie Mitarbeitende einer Institution sollten sich über die Aufgaben und Pflichten der jeweiligen Gremien bewusst sein. Nur wenn ihre Gremien effektiv ineinandergreifen, kann ihre Organisation zum Leuchtturm werden.
Aktuelle Skandale um die Gremien von Kulturorganisationen
Gremien sind das heimliche Uhrwerk einer Kulturorganisation. Indem die Arbeit von Gesellschafterversammlung, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Beirat ineinandergreift, kann eine Institution erfolgreich geführt werden. Ihr Zusammenwirken schafft transparente Entscheidungsfindungen, Kontrolle und die Vermeidung von Fehlverhalten. Nach außen werden sie aber leider nur dann wahrgenommen, wenn sie dysfunktional sind oder einzelne Räder ins Stocken geraten.
In jüngerer Zeit traten vermehrt Skandale um Kulturorganisationen oder öffentlich getragenen Einrichtungen auf, in denen die interne Kontrolle bei den Gremien nicht mehr funktionierte oder das Verhalten Einzelner aus dem Ruder lief. Von der Außenperspektive ergibt sich ein Bild verworrener Verantwortlichkeiten. Nur eines ist sicher: Zerrüttete Gremien lenken den Blick von den Leistungen der Organisation ab. Ein Überblick über die verschiedenen Organe und deren Funktionen hilft dabei, den Betrieb von Kulturorganisationen differenzierter zu sehen.
Theorie-Handbuch: Gremien
Gemeinnützige Museen und andere Kulturorganisationen werden rechtlich meist als Stiftung oder als „gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (gGmbH) gestaltet. Stiftungen besitzen ein Stammkapital, dessen regelmäßige Erträge wiederum für ausgewählte Zwecke (z.B. Ausstellung von Kunst für die Öffentlichkeit) verwendet werden. Die gGmbH bietet ebenfalls eine hohe Gestaltungsfreiheit und ermöglicht den Betrieb größerer, personalintensiver Einrichtungen.
Jede Kulturorganisation muss unternehmerische Entscheidungen treffen und die Verwendung der eingebrachten Gelder verantworten. Hierfür sind zwei Gremien zuständig: Zum einen die Gesellschafterversammlung, welche die Anteile an der gGmbH hält und deren Aktivitäten bestimmt. Zum anderen die Geschäftsführung, welche die Entscheidungen operativ umsetzt und den täglichen Betrieb der Einrichtung leitet.
Optional kann zusätzlich ein Beratungsgremium (Beirat bzw. Kuratorium) eingerichtet werden. Dessen Kompetenzen sind gesetzlich nicht geregelt und ermöglichen Gestaltungsspielraum. Ein Mehrwert liegt darin, ein Gremium mit Personen zu besetzen, die besondere Expertise oder Erfahrung besitzen und so als Berater:innen für die Gesellschafterversammlung oder die Geschäftsführung fungieren.
Ab 501 Mitarbeiter:innen muss eine gGmbH zudem einen Aufsichtsrat haben, der die Geschäftsführung kontrolliert. Er überwacht die konkrete Verwendung der Gelder und stellt sicher, dass weder Verstöße gegen die Geschäftsordnung noch andere ethisch bedenkliche Handlungen vorgenommen werden.
Konflikte zwischen Gremien in der Praxis
Die Gesellschafterversammlung erlässt als Grundlage der Organisation eine Satzung (Gesellschaftervertrag), welche die Aufgaben und Pflichten der Gremien möglichst genau definiert. Gleichzeitig müssen die ideellen Zwecke darin bewusst offen und weit gehalten werden, um der Organisation langfristig Gestaltungsraum bei der Verwirklichung ihrer Projekte zu ermöglichen. Dies stellt einen organisatorischen Spagat dar und führt in der Praxis häufig zu Meinungsverschiedenheiten.
Die häufigsten Streitpunkte betreffen die Übernahme von Verantwortung, das Finden von Entscheidungen, die gegenseitige Kontrolle der Organe sowie den Umgang mit der öffentlichen Hand. Der Aspekt der Verantwortung gilt dabei für Fragen wie: Welche Freiheiten besitzt ein Organ bei seiner Tätigkeit? Worüber muss ein Organ Auskunft an die Gesellschafter:innen geben? Entscheidung müssen getroffen werden bezüglich Investitionen und optimaler Mittelverwendung. Potentielle Konfliktpunkte sind außerdem die Frage nach der Vergütung der Geschäftsführung oder die Balance zwischen Gemeinnützigkeit und Sicherstellen des wirtschaftlichen Betriebes.
Ein gewisses Maß an gegenseitiger Kontrolle ist unabdingbar für das Funktionieren der gesamten Organisation. So wird verhindert, dass ein einzelnes Gremium seine Pflichten vernachlässigt oder sich Einzelne zu ihrem eigenen Vorteil bedienen. Wichtig ist auch, dass innerhalb der Organisation keine intransparenten Entscheidungen oder individuelle Verfehlungen akzeptiert werden. Die Kontrolle endet meist bei der Gesellschafterversammlung. Als Entscheidungsorgan kann sie die Tätigkeiten der Geschäftsführung beeinflussen und überprüfen. Diese Kontrolle ist jedoch nicht gegenseitig.
Mitunter wird auch der Umgang mit dem Bund zum Konfliktpunkt. Viele privat initiierte Organisationen nehmen den Bund in die Gesellschafterversammlung auf, um eine (Mit-)Finanzierung, eine öffentliche Interessens-vertretung und zusätzliche Expertise zu gewinnen. Im Gegenzug muss ein Teil der Kontrolle über die Ausrichtung der Organisation abgegeben werden. Die Gefahr des Trade-Offs ist, dass der Bund auch als Grenzsetzer auftreten kann. Sollten die Gesellschafter:innen und die öffentliche Hand unterschiedliche (möglicherweise politische) Interessen verfolgen, ist die Organisation im schlimmsten Fall außer Stande, ihre eigentlichen Zwecke erfolgreich auszuführen.
Effektive Gremienarbeit: Dos and Don‘ts
Um eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit der Gremien zu ermöglichen, sind besonders folgende Punkte zu beachten:
In Ergänzung zur Satzung sollte eine Geschäftsordnung für die jeweiligen Gremien verabschiedet werden, welche Verhaltensweisen und Aufgabenkataloge festlegt. Sie sollte möglichst eindeutig und transparent sein. Ein:e Compliance-Beauftragte:r kann zudem bestellt werden, um die Einhaltung der Geschäftsordnung, Aufgabenteilung und Verantwortlichkeiten zu begleiten.
Gremien funktionieren besonders dann gut, wenn ihre Mitglieder eine Vielfalt an Expertise mitbringen. Statt eine Kulturorganisation beispielsweise nur mit Fachwissenschaftler:innen auszustatten ist es hilfreich, Gremien interdisziplinär aufzustellen: Unternehmertum, Politik, Recht ebenso wie Vermarktung. Der Betrieb einer Organisation birgt eine Vielfalt an Aufgaben, die nicht rein fachlich sind. Nur wenn diese sich auch in den Kompetenzen der Mitglieder widerspiegeln, können sie erfüllt werden. Zu beachten ist dabei auch, dass vor allem Beiratsmitglieder ehrenamtlich tätig sind und nicht immer über langjährige Gremienerfahrung verfügen. Empfehlenswert ist es also, Beiräte durch Weiterbildungen punktuell zu unterstützen. So können sie den sich ständig wandelnden operationalen Anforderungen und ihren Verantwortungspositionen langfristig gerecht werden.
Unbedingt zu vermeiden ist, ein Kuratorium oder einen Beirat mit Personen zu besetzen, deren berufliche Eigeninteressen sich zu sehr mit denen der Organisation verknüpfen. Persönliche Interessen sind immer ein Bestandteil, sollten aber minimiert werden. Selbstverständlich ist es wichtig, dass die Beiräte sich nicht nur ideell mit den Zwecken identifizieren, sondern auch neue Türen für die Organisation öffnen können. Im Optimalfall dient der Beirat der Organisation als zusätzliches gesellschaftliches Aushängeschild sowie als Expert:innen-Pool, aus dessen Erfahrung die Geschäftsführung bei ihrer Arbeit schöpfen kann. Sonst kann es zu gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen oder gar zur Vetternwirtschaft kommen.
Die Zusammenarbeit der Gremien funktioniert dann besonders gut, wenn ihre Kompetenzen sich ergänzen und dadurch eine Plattform für Dialog entsteht. Greifen die Funktionen der Gremien effektiv ineinander, so kann die Organisation zum Leuchtturm werden.